Der Beschluss 2 BvR 591/06 beruht auf einem Falschzitat, hat einschlägige Normen übersehen und ist entgegen Art. 3 (1) GG.
Die Kirchen und manche Gerichte behaupten, der Beschluss 2 BvR 591/06 etc. habe das besondere Kirchgeld auch bei einem eigenen Einkommen des Kirchenmitglieds bestätigt [1]. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass das Gegenteil davon der Fall ist.
Die Entscheidung im Beschluss 2 BvR 591/06 wurde mit einer wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptung über die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG erschlichen.
Das BVerfG hat in 2 BvR 591/06 das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst mit einer wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptung über seine frühere Rechtsprechung begründet, indem es ohne jede Erläuterung die Klausel „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ aus der angegebenen Originalquelle 1 BvR 606/60, Ziff. C II 2, weggelassen hat. Ohne diese Weglassung hätte das BVerfG in 2 BvR 591/06 zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst gegenteilig entscheiden müssen.
Der Beschluss 2 BvR 591/06 besteht somit in Bezug auf das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst aus einer entscheidungserheblichen Täuschung über die verfassungsrechtlichen Klärungen des BVerfG im Urteil 1 BvR 606/60. Er entspricht damit nicht der Bindung an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG und verletzt Rechte von Klägern aus Art. 2 Abs.1 GG. Das originale Obiter dictum aus 1 BvR 606/60 geht dem Falschzitat vor.
Dies ist bereits gerichtlich bestätigt.
Das OVG Lüneburg (9 LA 120/17) und das VG Frankfurt (6 K 595/18.F) behaupten ganz schlau, das BVerfG habe in seinem Beschluss 2 BvR 591/06 seine frühere Rechtsprechung „fortentwickelt„.
Damit ist gerichtlich festgestellt, dass die Darstellung des BVerfG in 2 BvR 591/06 („Lebensführungsaufwand darf lt. BVerfGE 19, 268 <282> besteuert werden“) nicht der angegebenen Quelle entspricht. Die beiden Gerichte bescheinigen damit dem BVerfG eine wahrheitswidrige Darstellung und bemänteln das mit der Behauptung „Fortentwicklung“. Diese wiederum ist durch den Text von 2 BvR 591/06 widerlegt, der nur aus der Vergangenheit berichtet („Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, …“).
Die Falschdarstellung des OVG Lüneburg und des VG Frankfurt belegen die Falschdarstellung des BVerfG in 2 BvR 591/06.
Der Beschluss des BVerfG 2 BvR 591/06 ist eine Schande.
Für die Einzelheiten verweisen wir auf unsere neugefasste Analyse dieses Beschlusses (Stand Feb. 2021).
Diese konzentriert sich auf den Nachweis, dass dem Beschluss 2 BvR 591/06 keine neue Rechtsansicht, sondern eine wahrheitswidrige Tatsachenfeststellung zur bisherigen „maßgeblichen“ Rechtsprechung des BVerfG zugrunde liegt und er deshalb rechts- und verfassungswidrig ist.
Download hier: Analyse BVerfG 2 BvR 591-06_v06.11
Hier das Inhaltsverzeichnis dieser Analyse:
Wir empfehlen, vorrangig diesen neueren Text heranzuziehen.
Möge jemand den Nachweis antreten, dass in 2 BvR 591/06 kein Falschzitat und kein Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der kirchlichen Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe vorliegt. Bisher haben die Gerichte hierzu nur hohle Phrasen vorgebracht („es liegt auf der Hand“, „lässt sich nicht entnehmen“, „ist eine Fortentwicklung“, „nach diesen Bestimmungen“ usw.), die den Verdacht der bewussten Täuschung eher bestärken als entkräften.
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Die nachstehende bisherige Analyse von 2017/18 greift demgegenüber eine Reihe inhaltlicher Aspekte auf, die unabhängig von der o.a. Frage eines Falschzitates natürlich nach wie vor gelten.
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6.1 Die Verfassungsbeschwerden
6.2 Entscheidung und Entscheidungsbegründung
6.3 Rechtslage lt. 2 BvR 591/06 etc.
6.3.1 Urteil 1 BvR 606/60 gilt für das besondere Kirchgeld
6.3.2 Obiter dictum verfassungsrechtlich maßgeblich
6.3.3 Bemessung des Lebensführungsaufwandes
6.3.4 Rechtslage lt. BFH „eindeutig“
6.4.2 Täuschung über die Rechtslage
6.4.4 Missachtung der eigenen Rechtsprechung
6.4.6 Begründung mittels BVerfG 2 BvL 7/84??
6.4.7 Familienbesteuerung wieder eingeführt??
6.4.8 Vergleichsberechnung übersehen
6.4.9 „Danach keine verfassungsrechtlichen Bedenken“
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6.1 Die Verfassungsbeschwerden
Die sechs Verfassungsbeschwerden im Verfahren 2 BvR 591/06 etc. betrafen:
- 2 BvR 591/06: Besonderes Kirchgeld bei Doppelverdienern, Vorverfahren BFH I R 44/05;
- 2 BvR 1689/09: Besonderes Kirchgeld bei Doppelverdienern, Vorverfahren FG Nürnberg 6 V 1769/2008;
- 2 BvR 2698/09: Negatives Kirchgeld und Bemessung der KiESt bei glaubensverschiedener Ehe, Vorverfahren Nds. OVG 13 LA 182/08;
- 2 BvR 2715/09: Negatives Kirchgeld, Vorverfahren Nds. OVG 13 LA 183/08;
- 2 BvR 148/10: Bemessung der KiESt bei glaubensverschiedener Ehe, Vorverfahren BFH I B 58/09;
- 2 BvR 816/10: Besonderes Kirchgeld bei Doppelverdienern, Vorverfahren BFH I B 98/09.
Die Kläger gehörten glaubensverschiedenen Ehen an und wandten sich „gegen die Heranziehung zur Kirchensteuer beziehungsweise gegen die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld als einer Erscheinungsform der Kirchensteuer“.
Dass das BVerfG diese sechs Verfassungsbeschwerden zu einer Entscheidung zusammengefasst hat zeigt, dass es aus Sicht des BVerfG für die kirchliche Besteuerung eine gemeinsame verfassungsrechtliche Grundlage gibt, und die sei klar (s.u.). Schon daraus ist ersichtlich, dass die vom BVerfG herangezogenen Rechtsquellen eine Geltung über die jeweils verhandelte Thematik hinaus haben. Ansonsten wäre es unverständlich, dass z.B. das Urteil des BVerfG 1 BvR 413/60 hier mit herangezogen wird, denn dort ging es um eine Kirchenbausteuer. Hier geht es aber um die Auslegung der Verfassung, so dass der konkrete Streitgegenstand völlig nachgeordnet ist.
Wir konzentrieren uns nachfolgend auf die Frage der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld bei Doppelverdienerehe, wie es das BVerfG in diesem Beschluss auch getan hat. Das BVerfG geht in 2 BvR 591/06 etc. inhaltlich weder auf die Berechnungsmethode zur KiESt noch auf das „negative Kirchgeld“ ein, was schon ein wenig verwundert.
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Das BVerfG hat im Beschluss 2 BvR 591/06 etc. die Begründungen der div. Verfassungsbeschwerden nicht einmal in Stichworten mitgeteilt. Insoweit ist nicht nachvollziehbar oder beurteilbar, wogegen die Verfassungsbeschwerden sich genau gerichtet haben, wie sie begründet waren und worin ihre Ablehnung genau begründet ist, außer durch den pauschalen Hinweis, die verfassungsrechtlichen Fragen seien geklärt.
Auch die Einkommenskonstellationen (eigenes Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten??) werden nicht mitgeteilt, obwohl sie in 1 BvR 606/60 und einigen anderen BVerfG-Entscheidungen wegen der Individualbesteuerung die zentrale Entscheidungsgrundlage sind.
Es wäre naheliegend und ist – solange nichts Besseres bekannt ist – insoweit anzunehmen, dass die verfassungsrechtliche Begründung dieser Verfassungsbeschwerden sich auf die Vorbringen in den Vorverfahren gestützt hatte. Die Einkommenskonstellation kann sowieso als gleich dem Vorverfahren angenommen werden.
Im Fall des FG Nürnberg 6 V 1769/2008 (Doppelverdienerehe) wurde die dortige Klage mit einer Diskriminierung der Klägerin wegen Konfessionslosigkeit ihres Ehegatten begründet, weil das besondere Kirchgeld nur von Umlagepflichtigen mit konfessionslosem, nicht aber bei konfessionsverschiedenem Ehegatten erhoben werde. Dies führe zu erheblichen Nachteilen gegenüber konfessionsverschiedenen Ehen, für die die sachliche Rechtfertigung fehle. Die Klage wurde – so auch die dortige Beispielrechnung – danach nur über die Ungleichbehandlung gegenüber der konfessionsverschiedenen Ehe, nicht aber über die grundsätzliche (Un-)zulässigkeit des besonderen Kirchgeldes bei eigenem Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten begründet.
Das Verfahren BFH I R 44/05 (Doppelverdienerehe) geht zurück auf das Verfahren FG Köln 11 K 6619/09. In BFH I R 44/05 war die Klage wohl i.w. begründet mit Verstoß Art. 3 (1) GG (Gleichbehandlung) (vgl. Abschnitt III 3.4). Auch die Klage im Erstverfahren erscheint uns ungünstig angesetzt, u.a. weil einige Punkte vom BVerfG bereits 1965 behandelt worden waren (vgl. Abschnitt III 5.4.1). Ob die speziellen Fragen der Kirchgelderhebung bei Doppelverdienern angesprochen waren (z.B. Besteuerung von Nicht-Kirchenmitgliedern), wissen wir nicht.
Im Verfahren BFH I B 98/09 (Doppelverdienerehe) hatte der Kläger die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 (1), Art. 4 (1) sowie Art. 6 (1) GG geltend gemacht, wie auch im Vorverfahren beim FG Nürnberg 6 K 49/2008. Dort wird über eine Begründung nur zu Art. 4 (1) und Art. 6 (1) GG berichtet.
Nichtsdestotrotz ist nicht ersichtlich, im Hinblick auf welche Grundrechte bzw. verfassungsrechtlichen Fragen das BVerfG in 2 BvR 591/06 etc. die streitigen Verfahren und die dortigen Rechtsgrundlagen geprüft hat. Da der Beschluss 2 BvR 591/06 etc. sich verfassungsrechtlich nur auf das Urteil 1 BvR 606/60 stützt, ist anzunehmen, dass nur Art. 2 (1) GG (allg. Handlungsfreiheit) relevant ist.
Denn in 1 BvR 606/60 hatte die dortige Beschwerdeführerin zwar die Verletzung von Rechten aus Art. 3, 4, 6 Abs. 1, Art. 9 und 14 GG geltend gemacht. Das BVerfG hat aber in seiner Entscheidung (Ziff. C II 1) gesagt: „Da der Halbteilungsgrundsatz des § 3 KiStO das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, kommt es auf deren weiteres Vorbringen nicht mehr an.“
Entsprechend verweist das BVerfG eingangs seiner Urteilsbegründung darauf, dass die angefochtene Entscheidung das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt hatte (ebd., Ziff. C). Dies wird im Abschnitt C I des Urteils im Einzelnen begründet, und zwar v.a. über den Grundsatz der Individualbesteuerung, der auch durch Unterhalts- oder Güterrecht nicht aufgehoben werde.
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6.2 Entscheidung und Entscheidungsbegründung
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6.2.1 Entscheidung
Das BVerfG hat die betreffenden Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, weil „die für die Entscheidung im Wesentlichen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen“ „bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt“ seien – ohne explizit zu sagen, welche Fragen dies sind und wie diese Klärung aussieht.
Die Entscheidung lautet sodann:
„Danach“ begegneten die angegriffenen Entscheidungen – also auch zum besonderen Kirchgeld bei Doppelverdienern – keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Diese Verneinung von verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorverfahren wird v.a. von Seiten der Kirchen als Bestätigung des besonderen Kirchgeldes auch bei Doppelverdienern verkündet und auch so angewandt. [1] Die Abwesenheit von Bedenken ist aber nur wie ein Freispruch mangels Beweisen und keine Bestätigung, denn die müsste positiv sagen „Die Regelungen A, B und C entsprechen den verfassungsrechtlichen Vorgaben X, Y und Z“.
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6.2.2 Keine Kasuistik
Tatsächlich haben diese Einzelfallentscheidungen keinerlei Bedeutung für weitere Verfahren.
Denn das deutsche Recht ist kein kasuistisches Rechtssystem wie z.B. anglosächsische, in dem einer neuer Fall unter früher entschiedene Fälle subsumiert wird, sondern ein kodifiziertes Rechtssystem, in dem nach Prinzipien, Rechtssätzen, Regeln und Normen geurteilt wird.
Am trivialen Beispiel: Man zahlt 200 € Bußgeld wegen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht deshalb, weil jemand anders schon früher mal auch zu schnell gefahren ist und zu 200 € verurteilt worden ist, sondern weil der Bußgeldkatalog besagt: x km/h Geschwindigkeitsüberschreitung kosten y €.
Man sieht dies in jedem Urteil: Die Entscheidung wird nicht mit dem Ergebnis von früheren Entscheidungen über einen mehr oder minder ähnlichen Einzelfall begründet, sondern über jeweils die relevante Rechtslage. Nach der Feststellung des Sachverhalts und der Streitfrage wird zunächst geklärt, welche Rechtsfragen zu klären sind, welches Recht anzuwenden ist, was dieses Recht nach Gesetzeslage, Rechtssätzen in bisherigen Entscheidungen usw. aussagt („Maßstabsteil“).
Erst dann wird diese Rechtslage auf den zu entscheidenden Fall angewendet (Subsumtionsteil“). Kern sind jeweils Rechtssätze aus dem Gesetz oder anderen Entscheidungen, die im Prinzip sagen „es gilt“ oder „wenn … dann ….“.
Daher konnte (und musste!) der BFH in seinem Beschluss I B 109/12 aufgrund von 2 BvR 591/06 etc. ohne Weiteres sagen „die Rechtslage ist eindeutig“, denn die Einzelfallentscheidungen in 2 BvR 591/06 etc. beeinflussen aus den genannten Gründen die Rechtslage nicht. Und nur die Rechtslage ist für weitere, spätere Verfahren relevant.
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6.2.3 Entscheidungsbegründung
Das BVerfG beschreibt in 2 BvR 591/06 etc. zunächst den bisherigen Verfahrensgang und die Fragestellung, es folgt die Rechtslage, sodann die Schlussfolgerung zu den konkreten Verfassungsbeschwerden.
a) Zu entscheiden war lt. Text von 2 BvR 591/06 etc. u.a. über die „Heranziehung zur Kirchensteuer bzw. zum besonderen Kirchgeld“, denn dagegen wandten sich die hier relevanten drei Verfassungsbeschwerden:
„Sie wenden sich gegen dieHeranziehung zur Kirchensteuer beziehungsweise gegen die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld als einer Erscheinungsform der Kirchensteuer.“
b) Die Darstellung der Rechtslage besteht aus drei Teilen: 1) Urteile des BVerfG zur Heranziehung, 2) Obiter dictum, 3) Bemessung des besonderen Kirchgeldes. – Zu den verfassungsrechtlichen Fragen:
„Die für die Entscheidung im Wesentlichen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. insb. BVerfGE 19, 268; fernerhin etwa BVerfGE 19, 206; 19, 226; 19, 253; 20, 40; 30, 415; 73, 388; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. August 2002 – 2 BvR 443/01 -, DVBl 2002, S. 1624) und durch die hieran anknüpfende Rechtsprechung der Fachgerichte verfassungsgemäß konkretisierend beantwortet.“
(Hervorhebung nur hier. BVerfGE 19, 268 ist das Urteil des BVerfG vom 14.12.1965 – 1 BvR 606/60.)
Das Urteil 1 BvR 606/60 (= BVerfGE 19, 268) wird hier als Ganzes in einer Auflistung mit anderen Urteilen genannt, in denen die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen der kirchlichen Besteuerung geklärt sind. Danach sind im Urteil 1 BvR 606/60 als Ganzem und nicht nur in seinem Obiter dictum verfassungsrechtliche Fragen der Heranziehung zur Kirchensteuer bzw. zum besonderen Kirchgeld geklärt. Demzufolge ist das Urteil 1 BvR 606/60 in seiner Gesamtheit und nicht nur mit seinem Obiter dictum maßgeblich für eine verfassungsrechtliche Entscheidung über die Heranziehung zur Kirchensteuer sowie speziell zum besonderen Kirchgeld.
c) Was das BVerfG mit der „hieran anknüpfenden Rechtsprechung der Fachgerichte“ konkret meint, ist nicht ersichtlich. Die nähere Analyse zeigt, dass in dieser Rechtsprechung durchweg die gleichen Rechtsfehler festzustellen wie hier in diesem Beschluss (s. hier Kapitel III). Insbesondere werden die eindeutigen Festlegungen des BVerfG zur kirchlichen Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung (nur das eigene Einkommen, keine Haushaltsbesteuerung, kein Hinzurechnen des anderen Einkommens) missachtet obwohl sie tragende Gründe sind, vom Obiter dictum werden sowieso nur die Rosinen für die Kirche herausgepickt und um die verfassungsrechtliche Berurteilung der Vergleichsberechnung hat sich noch jedes Gericht gedrückt.
d) Damit ist nach 2 BvR 591/06 etc. eindeutig, dass im Urteil 1 BvR 606/60 geklärt ist, wie die Verfassung im Hinblick auf die kirchliche Besteuerung auszulegen ist, und zwar sowohl im Hinblick auf die Kirchensteuer (i.S. KiESt) als auch im Hinblick auf das besondere Kirchgeld.
e) Erst im nächsten Satz bezieht sich das BVerfG auf das Obiter dictum in 1 BvR 606/60 und spezialisiert mit „insbesondere“ nochmals:
„Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass zwar nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer Kirche angehörenden Ehegatten, wohl aber der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten den Gegenstand der Besteuerung bilden kann (vgl. BVerfGE 19, 268 [282]).“
(Hervorhebung nur hier)
Das Obiter dictum im Urteil 1 BvR 606/60, Ziffer C II 2, wird hier nachgewiesen als „BVerfGE 19, 268 [282]“. Aus dem Bezug „insbesondere“ geht hervor, dass lt. BVerfG auch im Obiter dictum verfassungsrechtliche Fragen der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld geklärt sind. (Näheres in Abschnitt II 6.1.1)
Die unterschiedliche Zitierweise für das Urteil 1 BvR 606/60 mit „BVerfGE 19, 268“ gegenüber dem Obiter dictum mit „BVerfGE 19, 268 [282]“ belegt nochmals, dass das BVerfG hier sehr wohl zwischen dem Urteil in seiner Gesamtheit und dem Obiter dictum als spezieller Rechtsnorm unterschieden hat.
Dass BVerfG hier allerdings ein Falschzitat des Obiter dictums verwendet und somit entscheidungserheblich über die Rechtslage täuscht, wird nachstehend näher behandelt.
f) Das BVerfG hat in 2 BvR 591/06 etc. die von ihm herangezogenen Rechtslage mit keinem Wort relativiert, modifiziert oder gar aufgehoben. Danach bestätigt der Beschluss 2 BvR 591/06 etc. die Rechtslage aus 1 BvR 606/60, dass das besondere Kirchgeld als Besteuerung des Lebensführungsaufwandes nur vom einkommenslosen Kirchenmitglied erhoben werden darf. Dies hat der BFH 2013 in seinem Beschluss I B 109/12 aufgrund von 2 BvR 591/06 etc. als „eindeutige Rechtslage“ festgestellt. (Näheres in Abschnitt II 6.4) Die Schlussfolgerung des BVerfG für die zu entscheidenden Einzelfälle spielte für den BFH keine Rolle. Eine (noch dazu falsch begründete) Einzelfallentscheidung ändert nicht die Rechtslage.
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6.2.4 „Leitsatz“
Der Beschluss des BVerfG 2 BvR 591/06 hat in der Fassung des BVerfG (und auch bei lexetius) weder einen Tenor noch einen „amtlichen Leitsatz“ o.dgl. Wenn hierzu Leitsätze publiziert sind die von irgendjemand erstellt worden, aber nicht vom BVerfG.
Dieser Beschluss 2 BvR 591/06 etc. ist in der nwb-Datenbank mit folgendem „nicht amtlichen“ Leitsatz versehen:
„Die Heranziehung glaubensverschiedener Ehegatten zur Kirchensteuer oder zum besonderen Kirchgeld, auch wenn lediglich einer der beiden Ehepartner einer steuerberechtigten Kirche angehört, ist verfassungskonform. Es kann zwar nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer Kirche angehörenden Ehegatten, wohl aber der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten den Gegenstand der Besteuerung bilden.“ (Hervorhebung nur hier)
Es ist nicht erkennbar, was dieser „Leitsatz“ aussagt:
- Satz 1 ist schlichtweg Unfug:
- Was bitte ist ein „glaubensverschiedener Ehegatte“?? Der kirchenangehörige, der kirchenfremde oder beide??
- Widersprüchlich: „auch wenn nur einer der Kirche angehört“ impliziert, dass auch beide der Kirche angehören können. Dann ist das keine glaubensverschiedene Ehe mehr. Worüber reden wir hier nun??
- Satz 1 besagt mit „auch wenn“: Wenn einer oder beide Ehegatten der Kirche angehören, kann Kirchensteuer oder besonderes Kirchgeld erhoben werden. Danach wäre jede Kombination von Kirchenzugehörigkeit und Steuerart zulässig. Das ist schlichtweg falsch. Wenn z.B. beide der Kirche angehören, ist nirgendwo das besondere Kirchgeld vorgesehen.
- Satz 1 besagt: Es können beide Ehegatten zur Kirchensteuer oder zum besonderen Kirchgeld herangezogen werden, „auch wenn nur einer der Kirche angehört“. Danach ist es verfassungskonform, dass auch kirchenfremde Personen zur Kirchensteuer bzw. zum besonderen Kirchgeld herangezogen werden. Das wird die Kirchen aber freuen.
- Was bedeutet das „oder“ in „zur Kirchensteuer oder zum besonderen Kirchgeld “ genau? Dürfen die betreffenden Ehegatten grundsätzlich nur zu einer der beiden Steuern herangezogen werden, oder wahlweise zu der einen oder zu der anderen, nach irgendwelchen Kriterien??
- Mit „Kirchensteuer“ ist wegen der Alternative „oder besonderes Kirchgeld“ wohl die KiESt gemeint. Wenn „Kirchensteuer“ aber jede Art von Kirchensteuer bezeichnen soll, wird das Ganze noch schlimmer, denn wären ja z.B. auch Ortskirchensteuern mit einbezogen, für die dann auch der Lebensführungsaufwand zu besteuern wäre.
- Die Verfassungsbeschwerde zur KiESt hat sich nicht gegen die grundsätzliche Heranziehung zur KiESt gewandt, sondern gegen die Berechnungsmethode zur Bemessung der KiESt bei glaubensverschiedener Ehe. Die ungenaue Angabe des BVerfG wurde unkritisch übernommen.
- Satz 2 ist zumindest ungenau:
- Da Satz 2 sich auf Satz 1 bezieht, kann lt. „Leitsatz“ auch die KiESt nach dem Lebensführungsaufwand bemessen werden. Das trifft nicht zu.
Dem Verfasser dieses „Leitsatzes“ waren die Grundbegriffe seines Themas nicht bekannt. Müll.
Der Orientierungssatz bei juris ist nicht viel besser: Da wird die übliche Ungenauigkeit fortgeschrieben, dass das besondere Kirchgeld generell zulässig sei, was durch BFH I B 109/12 ja eindeutig widerlegt ist. Da wird auf „grundrechtsgleiche Rechte“ verwiesen, obwohl der Begriff im Beschluss gar nicht vorkommt, und vom „besonderen Kirchengeld“ – so richtig im Thema drin war wohl auch dieser Verfasser nicht.
Soviel zu „Leitsätzen“, mit denen der eine oder andere vom Gericht sich ein kleines Zubrot verdient oder die man als Hilfs-Redakteur im Akkord fabulieren muss.
Das Kritische ist, dass es wohl üblich wird, dass Gerichte zunehmend allein nach derartigen mehr oder minder qualifizierten Leitsätzen (die lt. BGH nicht Bestandteil des Urteils sind!) entscheiden, ohne in die Entscheidung selbst hineinzuschauen.
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6.3 Rechtslage lt. 2 BvR 591/06 etc.
Nach 2 BvR 591/06 etc. ist – wie aufgezeigt – sowohl das Urteil 1 BvR 606/06 in seiner Gesamtheit als auch speziell sein Obiter dictum verfassungsrechtlich maßgeblich für die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld.
Dies ist eigentlich wichtige Botschaft dieses Beschlusses, weil v.a. seitens der Kirchen regelmäßig behauptet wird, das Urteil 1 BvR 606/60 beziehe sich nur auf den Halbteilungsgrundsatz, und nur auf Alleinverdiener, und an das Obiter dictum müsse man sich sowieso nicht halten.
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6.3.1 Urteil 1 BvR 606/60 gilt für das besondere Kirchgeld
Diese gesamtheitliche Geltung von 1 BvR 606/60 ergibt sich unmittelbar 1) aus der Darstellung der Rechtsquellen: Aufzählung mehrerer Urteile, darunter „insbes.“ 1 BvR 606/60, sodann weitere Spezialisierung mit dem Bezug „insbesondere“ auf das Obiter dictum. Sodann zeigen 2) unterschiedliche Nachweise für das Urteil („BVerfGE 19, 268“) und das Obiter dictum darin („BVerfGE 19, 268 [282]“) , dass das BVerfG hier zwischen dem Urteil 1 BvR 606/60 als Ganzem und dem Obiter dictum (Ziffer C II 2) klar unterscheidet. (Näheres in Abschnitt II 6.1.1)
Damit ist höchstrichterlich klargestellt, dass das gesamte Urteil 1 BvR 606/06 sich entgegen allfälligen Behauptungen v.a. der Kirchen sehr wohl auf das besondere Kirchgeld bezieht und für dieses verfassungsrechtlich maßgeblich ist. Daher sind seine tragenden Gründe nach § 31 BVerfGG bindend, insbesondere auch für Verfahren, in denen über die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld zu entscheiden ist.
Das bedeutet inhaltlich vor allem:
- Grundsatz der Individualbesteuerung (Ziff. C I 1, C I 2, C I 2d).
- Bei eigenem Einkommen KiESt zwingend.
„Wählt sie [die Kirche] das Einkommen im Sinne des Einkommensteuerrechtes als Maßstab, dann muß es das marktwirtschaftliche Einkommen (im Sinne des Einkommensteuergesetzes) des kirchenangehörigen Ehegatten sein.“ (Ziffer C I 2; Hervorhebung nur hier) - Keine Haushaltsbesteuerung.
Das Besteuerungsrecht der Kirchen besteht nur gegenüber ihren Angehörigen, „bei glaubensverschiedenen Ehen also nur gegenüber den ihr angehörigen Ehegatten“ (BVerfG, 1 BvR 606/60, C I 1), somit nicht gegenüber der Ehe oder Familie. Die Anknüpfung der Kirchensteuer an das Familieneinkommen entspricht dem geltenden Recht der Individualbesteuerung (ebd., C I 2 d). - Kein Zusammenrechnen beider Einkommen.
„Es fehlt daher einer solchen Ehe rechtlich die Möglichkeit, in Anwendung der Grundsätze des Splitting dem kirchenangehörigen Ehegatten Einkünfte zuzurechnen, die dem nicht der Kirche angehörenden Eheteil zufließen.“ (Ziffer C I 2 a) (Absatz und Hervorhebung nur hier)
Dies sind ausweislich ihrer Formulierung MUSS-Bestimmungen ohne jeden Ermessensspielraum für den Normadressaten (also für die Kirchen), denen die KANN-Bestimmung des Obiter dictum zur Besteuerung des Lebensführungsaufwandes von vornherhein nachgeordnet ist.
(Näheres in Abschnitt II 6.2)
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6.3.2 Obiter dictum verfassungsrechtlich maßgeblich
Des Weiteren sind lt. 2 BvR 591/06 etc. im Obiter dictum verfassungsrechtliche Fragen der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld gekärt.
Damit ist das Obiter dictum selbst verfassungsrechtlich maßgeblich, insbesondere für Verfahren, in denen über die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld zu entscheiden ist, denn die Gerichte sind nach Art. 20(3) GG an Recht und Gesetz gebunden. Das gilt unabhängig davon, dass ein Obiter dictum nicht zu tragenden Gründen zählt.
In Bezug auf die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld als Besteuerung des Lebensführungsaufwandes enthält das Obiter dictum von 1 BvR 606/60 in Ziffer C II 2 nur eine einzige für den Einzelfall relevante konkrete Bestimmung: Wenn ein kirchenangehöriger Ehegatte trotz hohen Einkommens seines kirchenfremden Ehepartners „mangels eigenen Einkommens im Sinne des Einkommensteuergesetzes kirchensteuerfrei bliebe“ (und dies unbillig erschiene), dann „könnte“ der Lebenführungsaufwand des Kirchenmitglieds Gegenstand der kirchlichen Besteuerung sein.
Danach ist die Vorgabe „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ eine verfassungsrechtlich geklärte Frage der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld als Besteuerung des Lebensführungsaufwandes des kirchenangehörigen Ehegatte und somit nicht disponibel.
Da die Kirchen bei Ausfüllen der KiStG selber direkt an die Verfassung gebunden sind (BVerfG, 2 BvR 443/01), steht es ihnen nicht frei, das Obiter dictum zu ignorieren bzw. selektiv anzuwenden, egal was im jeweiligen KiStG dazu steht. Das kirchliche Vorgehen nach dem Motto „Besteuerung des Lebensführungsaufwandes lt. Obiter dictum ja, aber nicht zu den Bedingungen des Obiter dictums“ widerspricht der Feststellung des BVerfG, dass in 2 BvR 591/06 etc. im Obiter dictum verfassungsrechtlich maßgebliche Fragen geklärt sind. An diese Klärungen sind die Kirchen aber gebunden, wenn sie eine staatliche ermöglichte Form der Besteuerung in Anspruch nehmen (BVerfG, 2 BvR 443/01).
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6.3.3 Bemessung des Lebensführungsaufwandes
Das BVerfG hat in 2 BvR 591/06 etc. die Verfassungsmäßigkeit der hilfsweisen Bemessung des Lebensführungsaufwandes am gemeinsam zu versteuernden Einkommen der Ehegatten nur für den Fall der Alleinverdienerehe begründet.
Das BVerfG hat in 2 BvR 591/06 etc. klar zwischen der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld und seiner Bemessung unterschieden:
- Die verfassungsrechtlich relevanten Fragen der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld seien im Urteil des BVerfG 1 BvR 606/60 als Ganzem sowie in dessen Obiter dictum geklärt.
- Die Frage der Bemessung des Lebensführungsaufwandes sei separat im Urteil des BFH I R 76/04 geklärt.
Damit ist klargestellt, dass Heranziehung zum und Bemessung des besonderen Kirchgeldes zwei unterschiedliche Rechtsfragen sind. Die verfassungsrechtlichen Festlegungen zur Heranziehung (insbes. BVerfG 1 BvR 606/60) gehen den fachgerichtlichen Festlegungen zur Bemessung (z.B. BFH I R 76/04) vor. Daher kann die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld nicht aus seiner Bemessung begründet werden, wie das Kirchen und Gerichte gerne tun, um die o.a. Festlegungen des BVerfG in 1 BvR 606/60 zu umgehen.
Das BVerfG bezieht sich hier auf BFH I R 76/04. Dieses Urteil erging zum besonderen Kirchgeld bei einer Alleinverdienerehe und kann daher nach §§ 95/96 FGO nichts zum besonderen Kirchgeld bei Doppelverdienerehe und seiner Bemessung aussagen. Näheres s.u. in Abschnitt III 6.4.5..
Zudem hat das BVerfG in 1 BvR 606/60 Ziff. C I 2a (Zitat s.o.) festgelegt, dass bei der kirchlichen Besteuerung einer glaubensverschiedenen Ehe dem eigenen Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten nicht das Einkommen seines nicht der Kirche angehörenden Ehegatten hinzugerechnet werden darf. Danach kann die hilfsweise Bemessung des Lebensführungsaufwandes am gemeinsam zu versteuernden Einkommen der Ehegatten dann nicht vorgenommen werden, wenn der kirchenangehörige Ehegatte über ein eigenes Einkommen verfügt, weil sonst genau dieses erfolgen würde – wie man materiell am Ergebnis eindeutig sieht.
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6.3.4 Rechtslage lt. BFH „eindeutig“
Der BFH hat in anderer Sache genau die in 2 BvR 591/06 etc. dargestellte „Rechtslage“ zur kirchlichen Besteuerung und speziell zum besonderen Kirchgeld herangezogen und festgestellt, dass sie „eindeutig“ ist, und zwar in Bezug auf die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld und auch in Bezug auf die Bemessung des Lebensführungaufwandes. Im BFH-Beschluss I B 109/12 heißt es (wir zitieren etwas gekürzt):
- „Die Rechtslage ist eindeutig.“
- Die hier relevanten verfassungsrechtlichen Fragen sind geklärt, inbes. in BVerfG 1 BvR 606/60.
- Danach darf der Lebensführungsaufwand des Kirchenmitglieds besteuert werden und am gemeinsam zu versteuernden Einkommen bemessen werden.
- „Diese Ausführungen des BVerfG beziehen sich allerdings auf das besondere Kirchgeld …“ (also generell und gerade nicht auf den beim BFH verhandelten Spezialfall) (Hervorhebung nur hier)
„Diese Ausführungen“ schließt die Bemessung des Lebensführungsaufwandes am gemeinsam zu versteuernden Einkommen mit ein. Daher gilt die nachfolgende Einschränkung „nur für diese Fallkonstellation“ auch hierfür. - „Nur für diese Fallkonstellation“ „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ „orientiert sich das besondere Kirchgeld am Lebensführungsaufwand“ (mit Verweis auf BVerfG 1 BvR 606/60 sowie BVerwG VII C 48.73).
- Daran ändert auch die sog. Vergleichsberechnung nichts (Folgebeschluss des BFH I S 24/13)
(Näheres in Abschnitt II 6.4)
Damit kann es keinen Zweifel an dieser Rechtslage geben.
Des Weiteren ist interessant, dass der BFH hier das Urteil des BVerwG VII C 48.73 mit heranzieht, das das BVerfG in 2 BvR 591/06 etc. nicht erwähnt hatte. Lt. BVerwG VII C 48.73 (Ziff. II 4 c) muss bei der Anwendung der Kirchgeldtabelle beachtet werden, dass diese Besteuerung vom BVerfG nur für das einkommenslose Kirchenmitglied ermöglicht wurde. Darauf beruft sich BFH I R 76/04.
Wohl deshalb werden die entsprechenden Absätze des BFH-Beschlusses I B 109/12 v.a. von den Kirchen, aber auch von Finanzbehörden und Gerichten regelmäßig unterschlagen, um das besondere Kirchgeld bei Doppelverdienern entgegen BVerfG 1 BvR 606/60 doch für rechtmäßig zu erklären. Damit werden wahre Tatsachen unterdrückt, um jemandem einen Vermögensvorteil zu verschaffen.
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6.4 Kritik
Wie konzentrieren uns hier wie erwähnt auf das besondere Kirchgeld bei Doppelverdienern. Zu den beiden anderen Aspekten der o.a. Verfassungsbeschwerden (Berechnung der KiESt bei glaubensverschiedener Ehe, negatives Kirchgeld) konnten wir auf den ersten Blick keine größeren Einwände erkennen, obwohl das BVerfG hierzu keinerlei spezifische Begründung gegeben hat.
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6.4.1 Widersprüche
Der Beschluss 2 BvR 591/06 etc. besagt, dass gegen die angefochtenen Entscheidungen der Vorinstanzen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden. Dies, obwohl drei der Verfahren ein besonderes Kirchgeld bei Doppelverdienerehen betrafen, was schon nach dem Wortlaut des Obiter dictums in 1 BvR 606/60 ausgeschlossen ist.
a) Die offensichtlichen Begründungsfehler in den Vorverfahren, insbesondere in den beiden BFH-Entscheidungen (I R 44/05, I B 98/09) ( (vgl. Abschnitt II 3), hat das BVerfG nicht erkannt, weil es seine eigene Rechtsprechung (mit/ohne eigenes Einkommen) nicht gekannt und/oder nicht begriffen hatte. Eine substantiierte Befassung mit der Rechtsprechung des BFH ist demnach nicht erfolgt. Einem Kläger bzw. Beschwerdeführer würde man das um die Ohren hauen.
b) Das BVerfG hat im Beschluss 2 BvR 591/06 etc. die von ihm darin herangezogene Rechtslage („inbes.“ 1 BvR 606/60) in keiner Weise in Frage gestellt oder modifiziert. Danach ändert die abschließende Bewertung der Einzelfälle, dass die angefochtenen Vorverfahren zum besonderen Kirchgeld keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, nichts an dieser herangezogenen Rechtslage. Lt. BFH I B 109/12 ist die Rechtslage gemäß 2 BvR 591/06 „eindeutig“: Besonderes Kirchgeld nur wenn einkommenslos.
c) Damit beinhaltet der Beschluss 2 BvR 591/06 etc. in Bezug auf Beurteilung der Verfassungsbeschwerden zum besonderen Kirchgeld bei Doppelverdienern einen Widerspruch zwischen der dargelegten Rechtslage und der Entscheidung im konkreten Fall was die Frage der Einkommenskonstellation beim besonderen Kirchgeld angeht.
d) Für weitere Entscheidungen ist wie gesagt nur die Rechtslage relevant, da das deutsche Recht kein kasuistisches ist. Dies ergibt sich auch aus BFH I B 109/12, wonach die „Rechtslage eindeutig“ ist – völlig ungeachtet der Einzelfallentscheidung.
e) Wenn man sich für weitere Entscheidungen dennoch auf die Einzelfallentscheidung beruft, so besteht ein Widerspruch zwischen Rechtslage und Einzelfallentscheidung. Damit ist aber die Rechtsprechung des BVerfG nicht einheitlich, so dass dann eine erneute, präzisere verfassungsrechtliche Klärung erforderlich wird.
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6.4.2 Täuschung über die Rechtslage durch Falschzitat
Die Einzelfallentscheidungen von 2 BvR 591/06 etc. zum besonderen Kirchgeld bei Doppelverdienerehe können allenfalls auf die o.a. Textpassage zur Besteuerung nach Lebensführungsführungsaufwand begründet sein, da die ansonsten in 2 BvR 591/06 etc. angeführten Rechtsquellen diesbezüglich das Gegenteil besagen.
Dieser oben zitierte zweite Satz „Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, …“ ist aber ein Falschzitat, das über die dem besonderen Kirchgeld zugrundeliegende Rechtsnorm materiell und damit entscheidungserheblich täuscht.
Somit beruht diese Bewertung zum besonderen Kirchgeld in Bezug auf die Fälle von Doppelverdienern allein auf einem kirchenüblichen Falschzitat, täuscht über die tatsächliche Rechtslage und verstößt gegen eine ganze Reihe von Rechtssätzen bzw. tragenden Gründen in Urteil des BVerfG 1 BvR 606/60.
Wir reden hier eher über Rechtsbeugung als über Rechtsprechung.
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6.4.2.1 Text und Inhalt
a) Das BVerfG weist in 2 BvR 591/06 etc. auf das Obiter dictum („vgl. BVerfGE 19, 268 [282]“) wie folgt hin:
„… hervorgehoben, dass zwar nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer Kirche angehörenden Ehegatten, wohl aber der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten den Gegenstand der Besteuerung bilden kann (vgl. BVerfGE 19, 268 [282]).“
Tatsächlich lauten die entsprechenden Passagen des Obiter dictums in 1 BvR 606/60:
- „Es könnte unbillig erscheinen, wenn ein einer steuerberechtigten Kirche angehörender Ehegatte, …, mangels eigenen Einkommens im Sinne des Einkommensteuergesetzes kirchensteuerfrei bliebe.“
- „Gegenstand der Besteuerung dürfte dann nicht das Einkommen (im Sinne des Einkommensteuerrechts) des anderen Ehegatten, sondern könnte etwa der „Lebensführungsaufwand“ des kirchenangehörigen Ehegatten sein.“ (Hervorhebungen nur hier)
b) Das Obiter dictum ist als Rechtsnorm mit Tatbestand und Rechtsfolge formuliert: Wenn einkommenslos, dann Besteuerung des Lebensführungsaufwandes möglich. Es steht nicht da: „Es darf generell der Lebensführungsaufwand besteuert werden“ o.ä.
Zur Verdeutlichung: Nach der o.a. Zitierweise des BVerfG dürfte einem die Polizei immer 50 € abknöpfen, wenn man durch den Ort fährt, und nicht nur dann, wenn man zu schnell ist, auch wenn das im Bußgeldkatalog anders steht.
c) Das BVerfG hat mit seiner o.a. Darstellung zur Besteuerung des Lebensführungsaufwandes in 2 BvR 591/06 etc. die Begründungskette der Wenn-Dann-Beziehungen des Originaltextes in 1 BvR 606/60, Ziffer C II 2, unterschlagen. Das BVerfG lässt die ersten beiden Sätze des Originaltextes weg und tilgt im dritten Satz die entsprechenden Spuren („dann“). Textretusche. Damit behauptet es, dass die Besteuerung des Lebensführungsaufwandes in 1 BvR 606/60 generell und absolut ermöglicht wurde. Das steht dort aber nicht, sondern ist explizit ausgeschlossen.
d) Das BVerfG hat durch das Weglassen der Einschränkung „mangels eigenen Einkommens im Sinne des Einkommensteuergesetzes kirchensteuerfrei“ das Obiter dictum gegenüber dem Originaltext materiell verändert dargestellt; der Tatbestand der Rechtsnorm wurde entfernt und damit verändert. Es wird nicht der Hauch einer Begründung für diese materiell bedeutsame Veränderung des Textes gegeben, obwohl lt. 2 BvR 591/06 etc. in genau diesem Obiter dictum verfassungsrechtlich maßgebliche Fragen der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld geklärt sind.
Das LG Köln hat in seinem Urteil vom 15.03.2017, 28 O 324/16, Rn. 46 den Begriff des Falschzitates wie folgt definiert:
„Nach Auffassung der Kammer handelt es sich in beiden Fällen um ein Falschzitat. Obgleich der wiedergegebene Wortlaut der Aussagen des Klägers zutreffend ist, ist seine Äußerung jeweils durch das Weglassen einer nachfolgenden Passage aus dem Zusammenhang gerissen und damit insgesamt sinnentstellend wiedergegeben worden, so dass die konkret wiedergegebene Äußerung nicht dem entspricht, was der Verfügungskläger zum Ausdruck gebracht hat.“
Diese Merkmale eines Falschzitates sind hier erfüllt:
- Das Zitat in BVerfG 2 BvR 591/06 besagt bzgl. der Einkommenskonstellation anderes als der originale Text, den es lt. angegebener Fundstelle wiederzugeben behauptet.
- Das Das Zitat in BVerfG 2 BvR 591/06 gibt den Stellenwert der o.a. Besteuerungsoption anders wieder als der Originaltext: Aus „wenn – dann“, „könnte“ und „dürfte“ wird „insbesondere hervorgehoben“.
Wir sehen dies als eine entscheidungserhebliche Täuschung über die zugrundeliegende Rechtslage an.
Das BVerfG hat hier eine entscheidungserhebliche Rechtsnorm, die es selbst aufgestellt hat und die unbestritten die verfassungsrechtliche Grundlage für das besondere Kirchgeld bei glaubensverschiedener Ehe textuell und materiell verfälscht und auf dieser erfundenen Grundlage entschieden.
Mit dem nächsten Satz zur Bemessung am gemeinsam zu versteuernden Einkommen folgt daraus eine materiell veränderte Besteuerung, da nämlich das „gemeinsam zu versteuernden Einkommen“ generell als Bemessungsgrundlage für das besondere Kirchgeld genannt wird.
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6.4.2.2 Wortlautgrenze
Man kann dieses Falschzitat nicht in eine verfassungskonforme Auslegung umdeuten.
„Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. BVerfGE 54, 277 <299 f.>; 71, 81 <105>; 90, 263 <275>)“.
(BVerfG, Beschluss vom 28.07.2015 – – 2 BvR 2558/14 etc.; Ziffer B II 1 d)
Der Wortlaut des Obiter dictum ist eindeutig: Wenn einkommenslos, dann Besteuerung des Lebensführungsaufwandes möglich. Das heißt: Und sonst eben nicht.
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6.4.2.3 Wille des Gesetzgebers
Lt. 2 BvR 591/06 etc. sind im Urteil 1 BvR 606/60 als Ganzem verfassungsrechtlich maßgebliche Fragen der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld geklärt. Danach kann der Wille des Normgebers aus diesem Urteil ersehen werden.
a) Das BVerfG hat die Rechtsfolge „Besteuerung des Lebensführungsaufwandes“ nach dem Begründungszusammenhang des Urteils 1 BvR 606/60 ganz offensichtlich deshalb an den Tatbestand „einkommenslos“ geknüpft, weil dieser komplementär ist zu dem tragenden Grund ist, dass bei einem Einkommen des Kirchenmitgliedes die Kirche genau dieses Einkommen besteuern muss, sofern sie das Einkommen besteuert. Dies geschah wohl in der Absicht, den Kirchen eine materielle Kompensation für die Einnahmeverluste aus dem Verbot des Halbteilungsgrundsatzes zukommen zu lassen.
b) Der Wille des Gesetzgebers (also des BVerfG als Normgeber) ist in 1 BvR 606/60 also klar erkennbar:
- Fall 1: Bei eigenem Einkommen KiESt,
und weil das ohne eigenes Einkommen nicht möglich ist („mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“), - dann eben Fall 2: ohne ein solches Einkommen Besteuerung des Lebenführungsaufwandes (was immer das auch genau sei) zulässig.
Genau so hat der BFH in I B 109/12 den Beschluss 2 BvR 591/06 zusammengefasst: Das BVerfG gehe von einer strikten Trennung der beiden Steuern (KiESt und besonderes Kirchgeld) aus.
c) Des Weiteren hat das BVerfG in 1 BvR 606/60 ein Zusammenrechnen des Einkommens des steuerpflichtigen Ehegatten mit dem seines nicht steuerpflichtigen Ehepartners untersagt. Der Wille des Gesetzgebers ist auch hier klar und eindeutig („es fehlt die rechtliche Möglichtkei“, „systemwidrig“). Die o.a. Verkürzung des Wortlauts des Obiter dictum führt aber genau auf die untersagte Bemessungsmethode.
d) Jede Auslegung, die diese Einschränkung „einkommenslos“ wegdiskutiert, führt sofort zu Widersprüchen zu den tragenden Gründen des Urteils 1 BvR 606/60, das aber wie erwähnt lt. 2 BvR 591/06 als Ganzes – also mit seinen tragenden Gründen – verfassungsrechtlich maßgeblich ist für die Heranziehung zur Kirchensteuer sowie zum besonderen Kirchgeld.
e) Daran ändert dann auch das ganze Gerede über die hilfsweise Bemessung des Lebensführungsaufwandes am gemeinsam zu versteuernden Einkommen nichts, mit dem sich die Gerichte um diese Frage herumdrücken.
- Die Bemessung einer Steuer setzt einen Besteuerungsgrund voraus („Heranziehung“).
Dieser ist bei der Besteuerung des Lebensführungsaufwand lt. Obiter dictum die Einkommenskonstellation „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“. - Eine „hilfsweise Bemessungsgrundlage“ bzw. ein „Ersatzmaßstab“ (= „gemeinsam zu versteuerndes Einkommen“) muss dem Besteuerungsgrund entsprechen (BVerfG, 1 BvL 8/05). Das ist aber bei einem eigenen Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten nicht der Fall.
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6.4.2.4 Tonlage
Im Übrigen stimmt hier auch die Tonlage nicht.
Das BVerfG hat in 1 BvR 606/60 nicht „hervorgehoben“, dass nach Lebensführungsaufwand besteuert werden darf. Das BVerfG hat dies nur am Rande und außerhalb des eigentlichen Urteils („Obiter dictum“) ganz vorsichtig als Option angemerkt. Die tatsächliche Formulierung ist nämlich voller „wenns“ und Konjunktive:
- „Es könnte unbillig erscheinen, wenn …“
- „Wenn diesen Bedenken Rechnung getragen werden soll, müßten …“
- „Gegenstand der Besteuerung könnte etwa …“
- „Die Kirchensteuer müsste …“
- „sie dürfte …“.
Hervorgehoben wurde in 1 BvR 660/60 ganz Anderes, und zwar im Hauptteil in den tragenden Gründen:
- Hoheitsrecht der Besteuerung besteht nur gegenüber dem kirchengehörigen Ehegatten (Ziff. C I 1)
- … muss es das Einkommen des kirchenanhörigen Ehegatten sein (C I 2)
- Keine rechtliche Möglichkeit, dem kirchenangehörigen Ehegatten Einkünfte seines nicht der Kirche angehörenden Ehepartners zuzurechnen (C I 2a)
- Steuerverhältnis ist individuell (C I 2 d)
- Systemwidrigkeit (C I 2d).
Diese Schwerpunktverschiebung darf man wohl als Indiz für eine bewusste Falschdarstellung ansehen – oder bestenfalls als eine unbedachte Übernahme eines kirchlichen Schriftsatzes durch einen ahnungslosen Referenten, der dies dann ebenso ahnungslosen Verfassungsrichtern vorlegte. Dann reden wir aber über Organisationsverschulden wegen mangelnder Anleitung und Überwachung, oder auch über Schlimmeres wie Rechtsbeugung zumindest im objektiven Sinne.
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6.4.3 Rechtsnorm
Normgeber ist in diesem Fall das BVerfG, das in 1 BvR 606/60 mit seinem Obiter dictum die Besteuerung des Lebensführungsaufwandes ermöglicht hat. Das BVerfG hat diese Besteuerungsmöglichkeit des Lebenführungsaufwandes als Rechtsnorm mit Tatbestand (einkommenslos) und Rechtsfolge (Besteuerung des Lebensführungsaufwandes) formuliert.
Das BVerfG hat in 2 BvR 591/06 in seiner Wiedergabe des Obiter dictums den vorauszusetzenden Tatbestand weggelassen und damit die Rechtsnorm für die Besteuerung nach Lebensführungsaufwand unvollständig wiedergegeben und dadurch materiell verändert. Es hat über die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld entschieden, und den eingrenzenden Heranziehungsgrund aus dem lt. 2 BvR 591/06 etc. verfassungsrechtlich maßgeblichen Obiter dictum von 1 BvR 606/60 („einkommenslos“) weggelassen und damit weitere Fallkonstellation für das besondere Kirchgeld erschlossen. Materiell kommt dies einer Ausweitung des Tatbestandes der Rechtsnorm gleich – unzulässig.
Wenn es verfassungskonform wäre, dass Gerichte oder jedermann wie z.B. auch die Kirchen den vorauszusetzenden Tatbestand einer Rechtsnorm einfach entfallen lassen, bräuchte man keine Gesetze, keine Verträge und keine Rechtsprechung mehr. Und auch kein BVerfG.
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6.4.4 Missachtung der eigenen Rechtssprechung
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6.4.4.1 Tragende Gründe nicht beachtet
a) Zum staatlichen Recht, an das die Kirchen bei ihrer Besteuerung gebunden sind, gehört die Bindung an Entscheidungen des BVerfG nach Art. 31 BVerfGG:
„(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.“
Dazu gehören auch die tragenden Gründe:
„Diese [Bindungswirkung] erfasst nicht nur den Tenor, sondern auch die die Entscheidung tragenden Gründe (vgl. BVerfGE 24, 289 <297>; 40, 88 <93>; 96, 375 <404 ff.>).
Die Missachtung dieser Bindungswirkung in den Beschlüssen vom 8. und 30. November 2005 verstößt gegen Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 40, 88 <94>); sie verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. hierzu Benda/Klein, a.a.O., Rn. 1348).“
BVerfG , Urteil vom 5.12.2005 – 2 BvR 1964/05 , Ziffer B II 1 (Absätze und Hervorhebungen nur hier)
b) Das BVerfG ist zwar selbst nicht an die tragenden Gründe seiner Entscheidungen gebunden. Es wäre doch anzunehmen oder zumindest zu wünschen, dass es bei einer derart grundlegenden Änderung seiner Rechtsauffassung ein Wort der Begründung gefunden hätte – sofern wirklich eine solche Änderung der Rechtsauffassung vorliegen sollte.
c) Das BVerfG hat in 2 BvR 591/06 etc. nicht erkannt, dass die angegriffenen Entscheidungen zum besonderen Kirchgeld bei Doppelverdienerehe eine Reihe von tragenden Gründen von BVerfG 1 BvR 606/60 und damit die Bindung des jeweiligen Gerichts an Gesetz und Recht missachtet haben.
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6.4.4.2 Missachtung der Rechtsnormen aus 1 BvR 606/60
Das BVerfG hat in 2 BvR 591/06 etc. die Rechtsnormen übersehen, die es für die kirchliche Besteuerung in 1 BvR 660/60 ausgestellt hat, um eine Verletzung von Rechten der Kläger aus Art. 2 (1) GG (allg. Handlungsfreiheit) zu verhindern.
Dieses Urteil 1 BvR 606/60 ist wie erwähnt lt. 2 BvR 591/06 etc als Ganzes für die verfassungsrechtlichen Fragen der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld maßgeblich. Darin wurde klargestellt, dass der Grundsatz der Individualbesteuerung auch für die kirchliche Besteuerung gilt:
- Besteuerungsrecht nur gegenüber dem kirchenangehörigen Ehegatten (C I 1), also nicht gegenüber der Ehegemeinschaft.
- Wenn die Kirche das Einkommen besteuert, „muss“ es das Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten sein. (Ziffer C I 2).
Sie darf „nur“ das Kirchenmitglied besteuern (Ziffer C I 1), also ist dieses „muss“ als abschließend zu verstehen. Die Kirche darf nichts anderes als genau dieses eigene Einkommen des Kirchenmitglieds besteuern.
Die Kirche ist also im Falle eines eigenen Einkommens des Kirchenmitglieds daran gehindert, dessen Lebensführungsaufwand bzw. das Einkommen beider Ehegatten zu besteuern. - Das Einkommen des steuerpflichtigen Ehegatten darf nicht – z.B. nach Art eines Splittingverfahrens – dem seines nicht steuerpflichtigen Ehegatten hinzugerechnet werden (Ziffer C I 2a).
Genau dies erfolgt aber materiell bei der Bemessung des besonderen Kirchgeldes anhand des „gemeinsam zu versteuernden Einkommens“. - Keine Haushaltsbesteuerung, es gilt die Individualbesteuerung (C I 2d);
- Bemessungsgrundlage darf nur das eigene Einkommen des Kirchenmitglieds sein. Durch das Zusammenrechnen wird jedoch auch das Einkommen des Kirchenfremden mit herangezogen. (Ziffer C I 1) Bei der Kirchgeldtabelle wird genau so verfahren. (Siehe dazu auch Abschnitt II 6.2.2.3.)
Das bedeutet, dass das BVerfG in 2 BvR 591/06 etc. frühere Entscheidungen hat durchgehen lassen, obwohl diese die Bindungswirkung der o.a. tragenden Gründe aus 1 BvR 606/60 missachtet haben, was einen Verstoß gegen Art. 20 (3) GG bedeutet. Das BVerfG hat auch hier seine eigene Rechtsprechung nicht beachtet, ohne ein Wort dazu zu sagen. Die Begründung einer weiteren Entscheidung über eine besonderes Kirchgeld anhand der o.a. früheren Verfahren würde somit auf einem weiteren Widerspruch innerhalb der Rechtsprechung des BVerfG beruhen.
Wenn ein Finanzgericht eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Rechtsnorm übersehen hat, liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vor (z.B. BFH V B 45/10, X B 110/11, V B 72/02), der die Revision rechtfertigt. Begründet wird dies mit dem Topos des Vertrauens in die Rechtsprechung. Für das BVerfG kann nichts anderes gelten.
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6.4.5 Bemessung
Zur Frage der (hilfsweisen) Bemessung des Lebensführungsaufwandes am gemeinsamen Einkommen der Ehegatten verweist das BVerfG in 2 BvR 591/06 etc. auf das Urteil des BFH I R 76/04. Dieses Urteil bezieht sich auf den Fall eines einkommenslosen Kirchenmitglieds und kann schon deshalb nicht ein besonderes Kirchgeld für Doppelverdiener begründen, da das Urteil eines Finanzgerichts nur über die Klage entscheidet (§§ 95, 96 FGO). Danach betreffen die dortigen Ausführungen des BFH zur Bemessung des Lebensführungsaufwandes von vornherein nur die Alleinverdienerehe.
a) BFH I R 76/04 sagt: „Der für die Bemessung des besonderen Kirchgelds herangezogene Besteuerungsmaßstab geht seinerseits wiederum auf die genannte Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1965 zurück“ (II 3 b) aa) und zitiert nahezu wörtlich das Obiter dictum aus BVerfG 1 BvR 660/60. Die kirchliche Besteuerung des Lebensführungsaufwandes sei „insoweit“ als verfassungskonform, als das Kirchenmitglied einkommenslos sei (Näheres in Abschnitt II 3). Daher kann aus I R 76/04 gerade nicht abgeleitet werden, dass das besondere Kirchgeld bei einem eigenen Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten rechtmäßig sei und die genannte Bemessungsmethode angewandt werden darf – im Gegenteil.
Der ungenaue und anderslautende Leitsatz von I R 76/04 ist hierfür unbeachtlich, da er nicht Bestandteil des Urteils ist. Denn der Leitsatz ist lt. BGH I ZR 190/89 eine freiwillige, „außergesetzliche Zutat“ und nicht Bestandteil der gerichtlichen Entscheidung und daher rechtlich ohne Wirkung; er dient nur der Kommunikation (Ziffer II 3 b) bb) und dem Zusatzverdienst seines Autors.
b) Das Urteil I R 76/04 hat die Verfassungsmäßigkeit der hilfsweisen Bemessung des Lebensführungsaufwandes gar nicht selbst erörtert, sondern sich nur auf fünf frühere Entscheidungen bezogen. Davon betrifft aber nur eine einzige (BVerwG VII C 48.73) tatsächlich dieses Thema, und die besagt (in Ziff. II 4 c), dass die Kirchgeldtabelle (mit dieser Bemessungsmethode) nur auf das einkommenslose Kirchenmitglied angewandt werden darf. (Näheres z.B. in Abschnitt II 3).
c) Damit gibt es zwei Möglichkeiten:
- Wenn die Entscheidung 2 BvR 591/06 etc. sich bei der Frage der Bemessung des Lebensführungsaufwandes am gemeinsam zu versteuernden Einkommen der Ehegatten nur auf die Alleinverdieneehe bezieht, so ist die nachfolgende Einzelfallentscheidung („keine Bedenken“) in Bezug auf Bemessung des besonderen Kirchgeldes ohne Begründung und entgegen der Rechtslage.
- Wenn die Entscheidung 2 BvR 591/06 etc. sich bei der Frage der Bemessung des Lebensführungsaufwandes am gemeinsam zu versteuernden Einkommen der Ehegatten auch auf Fälle von Doppelverdienerehe beziehen sollte, so bedeutet das, dass das BVerfG hier massiv geschlampt hat, weil es eine verfassungsrechtliche Klärung dieser Bemessungsmethode bei der Alleinverdienerehe auf den Fall der Doppelverdienerehe übertragen hat, für den das BVerfG in 1 BvR 606/60 genau dieses verboten hatte (keine Haushaltsbesteuerung (Ziff. C I 2 c + d), kein Hinzurechnen des anderen Einkommen, C I 2 a ).
Daher kann diese Passage nicht für weitere Kirchgeldfälle herangezogen werden, weil die daraus resultierenden Entscheidung tragenden Gründe einer anderen BVerfG-Entscheidung (1 BvR 606/60) widerspricht (§ 31 Abs. 1 BVerfGG). Diese Entscheidung hat das BVerfG in 2 BvR 591/06 etc. eingangs ja als verfassungsrechtlich maßgeblich benannt.
Damit ist die Schlussfolgerung des BVerfG, dass das besondere Kirchgeld auch bei Doppelverdienerehe keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, so oder so auch in dieser Hinsicht (Bemessung) ohne jede Rechtsgrundlage und entgegen den herangezogenen Nachweisen.
d) Belastungsgrund („mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“) und Ersatzmaßstab („gemeinsam zu versteuernden Einkommen“) müssen übereinstimmen (BVerfG, 1 BvL 8/05). Dies ist beim „gemeinsam zu versteuernden Einkommen“ aber nicht der Fall, wenn der kirchenangehörige Ehegatte über eine eigenes Einkommen verfügt.
e) Der BFH hat im Beschluss I B 109/12 den Hinweis des BVerfG auf BFH I R 76/04 in seine Einschränkung „Diese Ausführungen des BVerfG beziehen sich allerdings …“ inkludiert, so dass die Feststellung des BFH „nur für diese Fallkonstellation“ etc. auch das Urteil I R 76/04 mit umfasst und damit auch die Bemessung des Lebensführungsaufwandes.
f) Die Darlegung des BVerfG 2 BvR 591/06 ist intellektuell gesehen absolut lächerlich:
Da wird zunächst „hervorgehoben“, „dass zwar nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer Kirche angehörenden Ehegatten“ den Gegenstand der Besteuerung bilden darf, und dann wird im nächsten Satz genau dieses Einkommen zum (anteiligen) Gegenstand der Besteuerung gemacht, indem man die Bemessung am gemeinsam zu versteuernden Einkommen generell für verfassungskonform erklärt – was wiederum direkt den herangezogenen BVerfG-Urteilen widerspricht.
Da haben die Beteiligten entweder mit keiner Silbe verstanden, über was sie da reden, oder sie haben bewusst die Rechtslage verfälscht, um den Kirchen einen finanziellen Vorteil zu erhalten, den diese durch die Umgehung der BVerfG-Rechtsprechung mit sog. Vergleichsberechnung widerrechtlich erlangt haben.
g) Die Schlussbemerkung in 2 BvR 591/06 etc. „keine verfassungsrechtlichen Bedenken“ ist somit auch in Bezug auf die Bemessung des besonderen Kirchgeldes bei Doppelverdienerehe nicht begründet und entgegen der herangezogenen Rechtsquelle. Die erstinstanzlichen Gerichte nutzen sie gleichwohl, um das besondere Kirchgeld durchzudrücken.
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6.4.6 Begründung mittels BVerfG 2 BvL 7/84??
Selbst wenn das BVerfG die Entscheidung in 2 BvR 591/06 entgegen seiner Darlegung – „insbes.“ 1 BvR 606/60 – auf den unter „fernerhin“ auch erwähnten späteren Beschluss 2 BvL 7/84 begründet hätte, wird die Sache nicht besser.
Anders als bei allen anderen vom BVerfG hier angeführten Rechtsquellen könnte man aus 2 BvL 7/84 vielleicht herauslesen, dass das besondere Kirchgeld auch bei eigenem Einkommen des Kirchenmitglieds zulässig sei.
Dieser Eindruck ist aber an den Haaren herbeigezogen, denn 2 BvL 7/84 verweist in einem völlig anderen Zusammenhang (Regelungskompetenzen, Bestimmtheit) ohne jede inhaltliche Erörterung oder Begründung darauf, dass das hamburgische KiStG die Anrechnung von KiESt auf das besondere Kirchgeld zulässt, was keinen Einfluss auf die Gestaltungsbefugnisse des Steuerberechtigten habe.
Den Inhalt oder die Verfassungsmäßigkeit dieser lokalen Regelung hat das BVerfG nicht näher betrachtet. Da das BVerfG diese Bestimmung in 2 BvL 7/84 nicht kritisiert hat, wird von Kirchen und sie unterstützenden Gerichten geschlussfolgert, dass das besondere Kirchgeld deswegen auch bei eigenem Einkommen festgesetzt werden darf. (vgl. Abschnitt II 6.3) Wenn man den Text von 2 BvL 7/84 anschaut, sieht man, dass dort nur beurteilt wurde, ob die Anrechnungsvorschrift die Regelungskompetenzen beeinflusst, nicht aber, ob die Anrechnungsvorschrift selber rechtens ist. Denn Letzteres war nicht die Streitfrage. Das BVerfG ist wie andere Gerichte nicht gezwungen (und hat auch nicht die Möglichkeit), in jedem Urteil alle Aspekte der Welt zu beurteilen.
Diese o.a. Auffassung („Anrechnungsvorschrift tangiert Regelungsbefugnis nicht und legitimiert daher Kirchgeld bei eigenem Einkommen“) vermischt unzulässigerweise formales Recht (Regelungskompetenzen) mit materiellem (Anrechnung von Steuern). Eine solche Rechtsauffassung steht in direktem Widerspruch zur sonstigen diesbzgl. Rechtsprechung des BVerfG und hätte insoweit im Hinblick auf die Entscheidung zu den Fällen mit eigenem Einkommen in 2 BvR 591/06 etc. nicht herangezogen werden dürfen oder aber zumindest einer näheren, klärenden Betrachtung unterzogen werden müssen, zumal 2 BvL 7/84 hier unter „fernerhin“ läuft. Zudem greift ggf. auch hier der Hinweis auf die missachtete Bindungswirkung der tragenden Gründe aus 1 BvR 606/60.
Das BVerfG hat in 2 BvR 591/06 etc. nicht näher spezifiziert, auf welche seiner früheren Urteile bzw. Beschlüsse es die Entscheidung in 2 BvR 591/06 genau stützt – mit Ausnahme von 1 BvR 606/60. Angesichts der dortigen sorgfältigen verfassungsrechtlichen Analyse, die durch andere Entscheidungen vom 14.12.1965 gestützt wird, kann es nicht ausreichen, das besondere Kirchgeld bei eigenem Einkommen mit einer nicht näher begründeten Nebenbemerkung aus einem Beschluss zum Gestaltungsspielraum der staatlichen und kirchlichen Gesetzgeber zu begründen.
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6.4.7 Familienbesteuerung wieder eingeführt?
a) Kirchen und manche Gerichte schließen wie erwähnt aus einer Nebenbemerkung in 2 BvL 7/84 recht großzügig, dass das besondere Kirchgeld bei eigenem Einkommen zulässig sei, weil dort eine Anrechnungsvorschrift keinen Einfluss auf Regelungskompetenzen hatte (s.o.).
Dies bedeutet, dass damit die frühere Haushaltsbesteuerung wieder eingeführt und damit die Individualbesteuerung aufgehoben wurde, auf die das BVerfG in 1 BvR 606/60 seine dortige Rechtsprechung zur kirchlichen Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe letztlich begründet hatte.
Wenn man in gleicher Art und Weise die Einzelfallentscheidung von 2 BvR 591/06 etc. für bare Münze nimmt, ergeben sich daraus die gleichen Schlussfolgerungen, nur noch viel deutlicher:
b) In 2 BvR 591/06 etc. hat das BVerfG mit seinem o.a. Falschzitat des Obiter dictum sowie mit der Conclusio „begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken“ gesagt, dass es keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen hat, dass das besondere Kirchgeld auch in Fällen eines eigenen Einkommens des kirchenangehörigen Ehegatten erhoben wird und nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten bemessen wird.
Damit hat es für rechtens erklärt, dass sowohl das Einkommen des kirchenangehörigen wie auch das des nicht-kirchenangehörigen Ehegatten gleichermaßen kirchlich besteuert wird. Die beiden Einkommen dürfen danach zusammengerechnet und kirchlich besteuert werden, obwohl nur das Kirchenmitglied kirchlich steuerpflichtig ist. Das ist derzeit materiell auch so, wie man durch Nachrechnen anhand von Kirchgeldtabelle und Vergleichsberechnung leicht nachweist, da helfen alle formalen Spielchen zum Lebensführungsaufwand nichts. Das ist die Familienbesteuerung, die die Kirche sich schon immer gewünscht hat.
c) Danach hätte das BVerfG mit 2 BvR 591/06 so ganz nebenher den in 1 BvR 606/60 herangezogenen Grundsatz der Individualbesteuerung aufgehoben, denn es hat ja in 2 BvR 591/06 etc. eine Familienbesteuerung (beide Einkommen werden ungeachtet der Kirchenzugehörigkeit der Ehegatten zusammengerechnet und kirchlich besteuert) gebilligt. Danach wäre dann auch das Splittingverfahren bei der Einkommensteuer obsolet, weil nun wieder wie vor 1958 die Familienbesteuerung gilt.
Wie gesagt – wenn man der „Logik“ mancher Interpretationen des Beschlusses 2 BvL 7/84 sowie des Beschlusses 2 BvR 591/06 etc. folgt.
Von einem derartigen Irrsinn haben wir aber nichts gehört.
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6.4.8 Vergleichsberechnung übersehen
Das BVerfG hat in 2 BvR 591/06 etc. für die Fälle von besonderem Kirchgeld bei Doppelverdienerehe die entscheidungserhebliche Rechtsnorm der Vergleichsberechnung übersehen.
a) Lt. BVerfG 2 BvR 591/06 etc. wandten sich die Beschwerdeführer gegen die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld als einer Erscheinungsform der Kirchensteuer.
Das BVerfG hat in 2 BvR 591/06 etc. auf die unterschiedlichen staatlichen und kirchlichen Bestimmungen auf Landesebene hingewiesen, diese aber wohl nicht recht gekannt und auch nicht verstanden. Denn das BVerfG hat bei der Entscheidung über diese Frage nicht erkannt oder trotz Kenntnis nicht beachtet (was noch schlimmer wäre), dass die entscheidende Eingriffsnorm für die Heranziehung der Beschwerdeführer zum besonderen Kirchgeld wegen ihres eigenen Einkommens die Vergleichsberechnung ist. Das BVerfG hat somit nicht erkannt (oder nicht erkennen wollen, wer weiß), dass eine Bestimmung auf Landesebene seine ganzen verfassungsrechtlichen Entscheidungen und Erörterungen zur kirchlichen Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe konterkariert.
b) Damit hat das BVerfG nicht erkannt, dass durch die Heranziehung der Kläger zum besonderen Kirchgeld aufgrund landesrechtlicher Vorschriften Rechte der Kläger aus Art. 2 (1) GG (allg. Handlungsfreiheit) verletzt sind, die das BVerfG in 1 BvR 606/60 genau im Hinblick auf Art. 2 (1) GG für die kirchliche Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe dezidiert festgelegt hat:
- Besteuerung des eigenen Einkommens des Kirchenmitglieds zwingend (Ziff. C I 2, C I 1);
- Keine Haushaltsbesteuerung (C I 2d);
- Kein Hinzurechnen des Einkommens des konfessionslosen Ehepartners (C I 2a);
- Besteuerung des Lebensführungsaufwandes nur wenn „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ (C II 2).
c) Die Vergleichsberechnung findet man in den landesrechtlichen Bestimmungen an unterschiedlicher Stelle: im KiStG (z.B. Schleswig-Holstein), in einem ministeriellen Erlass (z.B. NRW), in einem kirchlichen Gesetz wie den Kirchensteuerbeschlüssen (z.B. Baden-Württemberg) oder in einer Ausführungsverordnung zu einem kirchlichen Gesetz (z.B. Bayern).
Die Vergleichsberechnung bestimmt in allen Bundesländern bei allen kirchgelderhebenden Religionsgemeinschaften, dass der höhere Betrag aus KiESt und besonderem Kirchgeld festgesetzt wird. Das bedeutet bei einem eigenen Einkommen des Kirchenmitglieds, dass allein die Höhe des Einkommens seines konfessionslosen Ehepartners dafür entscheidend ist, ob es zur KiESt oder zum besonderen Kirchgeld herangezogen wird, egal was das BVerfG alles zur Verfassungslage bei der kirchlichen Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe gesagt oder entschieden hat. Die Vergleichsberechnung geht in der Praxis der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld der vom BVerfG eingangs von 2 BvR 591/06 etc. angeführten Rechtslage vor.
Das BVerfG hat also offensichtlich nicht mitbekommen, dass Kirchen und Behörden sich nicht um das Verfassungsrecht scheren und dieses mit einem schlichten Zahlenvergleich ad absurdum führen. Die erstinstanzlichen Gerichte und der BFH decken dieses Vorgehen mit gerichtlichen Entscheidungen, die ebenfalls die Vergleichsberechnung ausblenden.
d) Diese Thematik der Vergleichsberechnung trifft auch für die Vorverfahren von 2 BvR 591/06 etc. zum besonderen Kirchgeld bei Doppelverdienerehe zu:
- 2 BvR 591/06: Das Vorverfahren BFH I R 44/05 betraf ein besonderes Kirchgeld bei Doppelverdienerehe in Nordrhein-Westfalen. In NRW ist die Vergleichsberechnung im Erlass des FinMin vom 08.08.2001 – S 2440 – 1/18 – V B 2, Ziffer 2 geregelt. Der BFH hat dies im Beschluss I R 44/05 nicht beachtet. Damit liegt dort nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vor, weil eine entscheidungserhebliche Rechtsvorschrift übersehen worden ist.
- 2 BvR 1689/09: Das Vorverfahren FG Nürnberg 6 V 1769/2008 betraf ein besonderes Kirchgeld in Bayern. Die Vergleichsberechnung ist dort in einer kirchlichen Vorschrift geregelt, nämlich in § 4 Abs. 2 der Ausführungsverordnung (AVKirchStErhebG) zum Kirchengesetz (KirchStErhebG) der Evang.-Luth. Landeskirche Bayern (ELKB). (Das bayr. KiStG selbst beinhaltet keine Eingriffsnormen zum besonderen Kirchgeld, nur Ermächtigungsnormen für die Kirchen.) Das FG Nürnberg hat diese Vergleichsberechnung zwar erwähnt, aber entgegen seinen Pflichten nicht auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft oder in seine Entscheidungsfindung einbezogen. Damit wurde diese Vorschrift auch in diesem Vorverfahren übergangen. Damit liegt dort nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vor, weil eine entscheidungserhebliche Rechtsvorschrift übersehen worden ist.
- 2 BvR 816/10: Das Vorverfahren beim BFH I B 98/09 geht zurück auf ein Verfahren vor dem FG Nürnberg (6 K 49/2008), so dass ebenfalls die bayrischen Vorschriften gelten. Der BFH hat in I B 98/09 die Vergleichsberechnung übersehen, ebenso das FG Nürnberg, so dass insoweit auf das Vorstehende zu verweisen ist. Damit liegt in beiden Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vor, weil eine entscheidungserhebliche Rechtsvorschrift übersehen worden ist.
e) Demzufolge hat das BVerfG auch nicht erkannt, dass die staatlichen und kirchlichen Vorschriften auf Landesebene spätestens mit der behördlichen Genehmigung der kirchlichen Bestimmungen im Falle der Doppelverdienerehe zu einem anderen Ergebnis führen können als das Bundesrecht, auf das das BVerfG in 2 BvR 591/06 etc. sich eingangs beruft.
Demzufolge hat das BVerfG auch nicht erkannt, dass hier ziemlich sicher eine Normenkollision im Sinne des Art. 31 GG vorliegt.
f) Damit sind die Feststellungen des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld bei einem eigenen Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten rechtswidrig und damit obsolet, weil eine entscheidungserhebliche Rechtsnorm, die de facto die Auslegung der Verfassung durch das BVerfG in 1 BvR 606/60 aufhebt, überhaupt nicht betrachtet wurde.
Das BVerfG hat nicht einmal näherungsweise mitbekommen, wie es mit der Vergleichsberechnung von Kirchen und Behörden hinters Licht geführt und lächerlich gemacht wird.
g) Steuern müssen formell und materiell der Verfassung gemäß sein (BVerfG, 1 BvR 413/60, C I 1).
Wenn die für die Heranziehung zu einer Steuer entscheidende Rechtsvorschrift bzw. Eingriffsnorm übersehen wurde, kann nicht behauptet werden, dass diese Steuer der Verfassung gemäß sei, weil diese Vorschrift entgegen der Pflicht des Gerichts (die Kläger hatten um staatlichen Rechtsschutz gebeten) nicht auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft wurde.
Das BVerfG hat in den Beschlüssen 2 BvR 591/06 etc. die Verfassungsmäßigkeit des streitigen besonderen Kirchgeldes insoweit unzureichend geprüft, als es die entscheidende landesrechtliche Vorschrift der Vergleichsberechnung übersehen und nicht betrachtet hat, obwohl diese die gesamte angeführte einschlägige Rechtsprechung des BVerfG mit einem simplen Zahlenvergleich aushebelt. Dadurch hat es die Möglichkeit einer Verletzung von Rechten der Kläger insbes. aus Art. 2 (1) GG unzureichend betrachtet.
Wenn ein Finanzgericht eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Rechtsnorm übersehen hat, liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vor (z.B. BFH V B 45/10, X B 110/11, V B 72/02), der die Revision rechtfertigt. Begründet wird dies mit dem Topos des Vertrauens in die Rechtsprechung. Für das BVerfG kann nichts anderes gelten.
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6.4.9 „Danach keine verfassungsrechtlichen Bedenken“
Das BVerfG formuliert in 2 BvR 591/06 etc. abschließend.
„Danach begegnen auch die angegriffenen Entscheidungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.“
Es ist nicht so ganz eindeutig, worauf sich der Bezug „danach“ denn genau richtet. Von unten nach oben:
- Das BFH-Urteil I R 76/04 bezieht sich nur auf Alleinverdiener und wird nicht im Hinblick auf die „Heranziehung“, sondern nur im Hinblick auf die Bemessung des besonderen Kirchgeldes angeführt.
- Die Textstelle zur Besteuerung nach Lebensführungsaufwand ist ein grobes Falschzitat.
- Das Urteil 1 BvR 606/60 besagt im Obiter dictum und in seinen tragenden Gründen das Gegenteil.
So etwas wie Logik ist nicht erkennbar.
Wenn man wohlwollend nur Unkenntnis der herangezogenen Rechtsquellen und nichts Schlimmeres unterstellt, bleibt als „Begründung“ für die o.a. konkrete Bemerkung zu den „angegriffenen Entscheidungen“ der Einzelfälle nur das o.a. Falschzitat, mit dem über die Rechtslage lt. Obiter dictum getäuscht wird.
Wir haben den Eindruck, dass die Schriftsätze der Kirchen deutlich routinierter waren als die der Vertreter der Beschwerdeführer.
Der Sachbearbeiter des BVerfG, der den Beschluss entworfen hat, hatte natürlich keine Ahnung von der Sache, war vielleicht kirchlich gebunden, ist nicht näherungsweise in das Thema eingestiegen (z.B. Lektüre von 1 BvR 606/60) und ist dann halt dem kirchenüblichen Falschzitat aufgesessen, dass die Besteuerung des Lebensführungsaufwandes rechtmäßig sei – also immer und generell, und die Bemessung sowieso.
Und die Dame und die Herren Verfassungsrichter haben das im Unterschriftendurchlauf oder in einer 27-Punkte-Sitzung ebenso ahnungslos abgenickt, dem Ergebnis nach ohne den Text sinnerfassend zu lesen.
So jedenfalls stellen wir uns das vor.
Im Vorgehen schlampig und inkompetent, im Ergebnis rechtswidrig.
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6.5 Fazit
Für das besondere Kirchgeld ist verfassungsrechtlich das gesamte Urteil 1 BvR 606/60 maßgeblich.
Das besondere Kirchgeld durchbricht bei Doppelverdienerehe den Grundsatz der Individualbesteuerung und ist somit verfassungswidrig.
a) Die Entscheidung des BVerfG im Beschluss 2 BvR 591/06 etc., wonach die angefochtenen Entscheidungen zum besonderen Kirchgeld bei Doppelverdienerehe keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen, ist ohne jede Rechtsgrundlage oder Begründung.
Diese Schlussfolgerung zu den Einzelfällen ist bestenfalls durch eine Täuschung über die Rechtslage zur Heranziehung zum besonderen Kirchgeld und einen in sein Gegenteil verkehrten Nachweis (BFH I R 76/04) zur Bemessung des Lebensführungsaufwandes begründet.
Sie steht in mehrfacher Hinsicht im Widerspruch zu dem lt. 2 BvR 591/06 etc. verfassungsrechtlich maßgeblichen Urteil des BVerfG 1 BvR 606/60. Mehrere entscheidungserhebliche Rechtsnormen wurden übersehen oder übergangen.
b) Das Positive und eigentlich Wichtige an diesem Beschluss 2 BvR 591/06 etc. ist, dass nun vom BVerfG geklärt ist, wo die verfassungsrechtliche Klärung der kirchlichen Besteuerung bei glaubensverschiedenere Ehe steht, nämlich „insbes.“ im Urteil des BVerfG 1 BvR 606/60 und dessen Obiter dictum.
Damit kann man sich auch beim besonderen Kirchgeld auf die tragenden Gründe und sonstigen Rechtssätze dieses Urteils berufen und dem Geschwätz der Kirchen entgegentreten, dass dieses Urteil ja nur den damaligen Halbteilungsgrundsatz betreffe und dass das Obiter dictum nicht bindend sei.
c) Damit ist geklärt, dass für die kirchliche Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe wie in 1 BvR 606/60 festgelegt der verfassungsrechtliche Grundsatz der Individualbesteuerung gilt.
Dieser wird aber im Falle eines eigenen Einkommens des kirchenangehörigen Ehegatten mit der Methode der „hilfsweisen Bemessung am gemeinsam zu versteuernden Einkommen der Ehegatten“ durchbrochen, weil entgegen den expliziten Festlegungen des BVerfG in 1 BvR 606/60 damit auch das Einkommen des nicht der Kirche angehörenden Ehegatten der kirchlichen Besteuerung unterworfen wird.
Die Evang.-Luth. Landeskirche Bayern (ELKB) hat dies nicht zuletzt unter dem Druck von Gerichtsverfahren inzwischen erkannt und auf ihrer Herbstsynode am 29.11.2018 mit dieser Begründung – Grundsatz der Individualbesteuerung durchbrochen – als erste der EKD-Gliedkirchen die Abschaffung ihres besonderen Kirchgeldes beschlossen.
d) Eine Einzelfallentscheidung ändert nichts an der Rechtslage, weil das deutsche Rechtssystem kein kasuistisches ist.
Das BVerfG hat in 2 BvR 591/06 etc. mit keinem Wort die von ihm selbst herangezogene Rechtslage in Frage gestellt oder kommentiert. Der BFH hat in I B 109/12 auf genau dieser Basis die Rechtslage der Heranziehung zum besonderen Kirchgeld und zur Bemessung des Lebensführungsaufwandes am am gemeinsam zu versteuernden Einkommen als „eindeutig“ festgestellt, und zwar unabhängig vom jeweiligen KiStG: Besonderes Kirchgeld incl. Bemessung „nur für diese Fallkonstellation“ „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“.
e) Dem Anwalt ist zu raten, den Beschluss 2 BvR 591/06 etc. explizit anzugreifen und auf diesen Punkt „1 BvR 606/60 gilt und geht vor“ hinzuweisen. Man sollte dem Gericht die Rechtsbeugung so schwer wie möglich machen.
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Stand 12/2017, überarbeitet 12/2018
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Anmerkungen
[1] Nach dem Beschluss 2 BvR 591/06 gab es eine große Anzahl an entsprechenden Hinweisen in den Medien, die aber alle den Tenor hatten, das besondere Kirchgeld sei pauschal verfassungsgemäß, also ohne Differenzierung nach der Einkommenskonstellation.
Beispiele:
Schon die Pressemitteilung des BVerfG ist hinreichend unpräzise. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2010/bvg10-105.html
https://www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de/positionen/kirche_und_geld/kirchensteuer
Dort wird die Auffassung vertreten, das besondere Kirchgeld dürfe auch bei eigenem Einkommen des Kirchenmitglieds erhoben werden.
Woher Steuernetz.de seine Weisheit hat, dass der Grundfreibetrag für die kirchliche Besteuerung eine Rolle spielt,sagt die Seite nicht.
Was oft übersehen wird: Wenn das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annimmt, dann kommt den Inhalten der Ablehnung KEINE Gesetzeskraft zu. Die Erläuterungen zur Ablehnung sind für die Sachfrage irrelevant. Das BVerfG hat ja schlicht geschrieben, dass es sich gerade nicht mit der strittigen Frage beschäftigen möchte. Man kann also jederzeit wieder eine erneute Verfassungsbeschwerde zum gleichen Sachverhalt vorlegen, z.B. wenn es einen Richterwechsel gab. Siehe SG Mainz, 18.04.2016, AZ: S 3 AS 149/16, Rn. 239.
Besten Dank für den ergänzenden Hinweis. Sie sprechen damit zwei Themen an.
1) Weitere Verfassungsbeschwerden nicht gehemmt:
Der Bürger kann in der Tat Verfassungsbeschwerde erheben, unabhängig davon ob das BVerfG bereits einmal über das Thema entschieden hat (vgl. §§ 90, 93 BVerfGG), wenn er sich in seinen Rechten verletzt sieht.
Zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst liegt derzeit eine Verf-Beschwerde beim BVerfG vor (2 BvR 1585/19), die sich gegen den Beschluss des BFH I B 27/18 richtet, der i.w. gleichlautend mit I B 28/18 ist.
(Beim Urteil des SG Mainz ging es um etwas anderes. Die Richter des SG Mainz begründen ihre Richtervorlage nach Art. 100 GG, weil sie eine bestimmte Regelung für verfassungswidrig halten, und gehen dabei natürlich auf die frühere Rechtsprechung des BVerfG ein (v.a. in Rn 239)).
2) Bindungswirkung:
Nach § 31 Abs. 1 BVerfGG haben Entscheidungen des BVerfG generell eine Bindungswirkung gegenüber u.a. Behörden und Gerichten, auch mit ihren tragenden Gründen. Letzteres wird regelmäßig missachtet.
Nach § 31 Abs. 2 BVerfGG haben Entscheidungen zu Verfassungsbeschwerden in bestimmten Fällen (i.w. wenn es um die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen geht) auch Gesetzeskraft.
So oder so kommt es aber auf die vom BVerfG vorgenommene Auslegung der Verfassung an, nicht auf die Einzelfallentscheidung.
In Kirchgeldsachen besteht nun folgendes Problem:
Bei Wiederholfällen pflegen die Gerichte, auch das BVerfG, auf ihre früheren Entscheidungen zu verweisen. Das ist hier der Beschluss 2 BvR 591/06. Dessen Einzelfall-Entscheidung beruht aber auf einer nachweislich wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptung des BVerfG darüber, was es anno 1965 zur Zulässigkeit der kirchlichen Besteuerung des Lebensführungsaufwandes gesagt hat. Das BVerfG hat nämlich in 2 BvR 591/06 die originale Klausel „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ aus BVerfG 1 BvR 606/60 einfach weggelassen und damit ohne jede Begründung eine Tatbestandsausweitung vorgenommen, die im Widerspruch den tragenden Gründen von BVerfG 1 BvR 606/60 steht.
Damit steht das BVerfG bei Verfassungsbeschwerden zum besonderen Kirchgeld vor der peinlichen Frage: Den Fehler in 2 BvR 591/06 zugeben oder fortführen?
In der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 591/19 hat sich das BVerfG um diese Peinlichkeit gedrückt und einfach keine Begründung angegeben.
Man darf gespannt sein, wie das BVerfG im Verfahren 2 BvR 1585/19 mit diesem Dilemma umgeht.