Der neue Beschluss des BFH vom 21.10.2021 – I B 65/19 gibt Anlass, die Rechtsprechung des BFH zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst etwas näher unter die Lupe zu nehmen.
Der BFH räumt darin ein,
- dass die Vergleichsberechnung einschlägig ist,
- dass er sie nicht berücksichtigt hat und
- dass daher seine gesamte Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst wegen nicht Nicht-Berücksichtigung einschlägiger Vorschriften willkürlich ist.
Inhaltsverzeichnis
5.1.1 Die Verfassungsrechtlichen Grundlagen
5.1.2 Kirchensteuergesetze & Co.
5.1.3 Bemessungsgrundlage und Kirchgeldtabelle
5.1.4 Individualbesteuerung vs. Ehe-Besteuerung
5.3 Die Urteile des BFH im Faktencheck
5.3.2 Begründung per Falschzitat
5.3.4 Willkür durch Übersehen von Vorschriften
5.4 Die sog. Vergleichsberechnung im Faktencheck
5.4.3 Verfassungsmäßigkeit fehlt
5.4.4 Ohne jede Rechtsgrundlage, entgegen allen Regeln
5.4.5 Weitere Willkür durch Übergehen
5.5 Die Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH
5.6 Der Beschluss des BFH I B 28/18 im Faktencheck
5.6.1 Neue verfassungsrechtliche Grundlage
5.7 Der Beschluss des BFH I B 65/19 im Faktencheck
5.7.1 Unzureichende verfassungsrechtliche Begründung
5.7.2 Falschdarstellungen zum verfassungsrechtlichen Rahmen
5.7.3 Neue Billigkeitserwägungen
5.7.4 Besonderes Kirchgeld nur noch bis ca. 12.000 € Eigenverdiens
5.7.5 Zwickmühle und nicht erwogene Argumente
5.7.6 Vorschriften zur Vergleichsberechnung sind einschlägig
5.7.7 „Verfassungsrechtliche Würdigung“: Übersehen einschlägiger Vorschriften eingeräumt
5.7.8 Entscheidungen ohne Vergleichsberechnung
5.7.10 Neues Märchen im Leitsatz
5.8 Zulassung entgegen dem Gesetz verweigert
5.8.2 Zulassungsgrund „Klärungsbedarf“
5.8.3 Zulassungsgrund „Nicht erwogen“
5.8.4 Zulassungsgrund „Divergenz“
5.8.5 Zulassungsgrund „Rechtsfehler“
5.9 Der Beschluss des BVerfG 2 BvR 591/06 im Faktencheck
5.9.1 Unzureichende verfassungsrechtliche Beurteilung
5.9.2 Wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungg
5.9.3 Untaugliche Reaktion des BFH in I B 65/19
Einleitung
Der Bundesfinanzhof (BFH) behauptet stereotyp, das besondere Kirchgeld sei auch bei einem eigenen Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten verfassungsgemäß, weil er das so entschieden habe.
In der Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) I B 28/18 wurde dem BFH u.a. vorgeworfen, dass seine verfassungsrechtliche Begründung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst zentral auf einem gesetzeswidrigen Falschzitat zu seinem Urteil I R 76/04 beruht. Der BFH bezog sich daraufhin im Beschluss I B 28/18 erstmals auf das originale Obiter dictum aus dem Urteil des BVerfG 1 BvR 606/60 und reagierte mit einer verworrenen Umdeutung dieses Obiter dictum, aus der jeder sich das ihm Passende heraussuchen kann.
Dieser Unfug wurde dem BFH in der nächsten NZB I B 65/19 sehr deutlich vorgehalten. Zudem wurde dem BFH eine Zwickmühle aufgezeigt: Entweder gilt die Vergleichsberechnung, dann ist die einschlägige Rechtsprechung des BFH wegen Übersehens von Vorschriften willkürlich, oder sie gilt nicht, dann ist das Vorgehen der Finanzverwaltungen willkürlich. Daher will der BFH nun im Beschluss I B 65/19 mit bewussten Unschärfen und einem vollmundigen Leitsatz den Eindruck erwecken, das besondere Kirchgeld sei auch dann verfassungsgemäß, wenn das Kirchenmitglied in Folge der Anwendung der Vergleichsberechnung dazu herangezogen wird.
Der Faktencheck zeigt, dass auch diese Darstellung nicht den Tatsachen entspricht. Es gibt keine höchstrichterliche Klärung oder gar Billigung zur Vergleichsberechnung beim besonderen Kirchgeld. Das ist aber nur ein weiteres Märchen vom BFH.
Die eigentliche Bedeutung des Beschlusses I B 65/19 liegt woanders.
Der BFH hat darin erstmals festgestellt, dass das Kirchenmitglied bei einem Eigenverdienst „aufgrund“ der Vergleichsberechnung zum besonderen Kirchgeld herangezogen wird, sofern dieses höher ist als die KiESt auf den Eigenverdienst.
Danach sind die Vorschriften zur Vergleichsberechnung lt. BFH für das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst einschlägig. Der BFH hat diese Vorschriften in seiner bisherigen Rechtsprechung wie alle Gerichte konsequent übersehen bis übergangen. Dieses Übersehen ist dem Wahrheitsbeweis zugänglich, man muss dazu nur die Entscheidungen lesen.
Im Beschluss I B 65/19 hat der BFH dieses Übersehen nicht bestritten oder gar widerlegt, sondern mit seiner Darlegung einer „verfassungsrechtlichen Würdigung“ explizit bestätigt.
Der BFH hat damit in I B 65/19 eingeräumt, dass seine gesamte Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst wegen des Übersehens einschlägiger Vorschriften willkürlich bzw. gesetzeswidrig ist. Gleiches gilt für die entspr. Entscheidungen der unteren Gerichte sowie des BVerfG. Sie verstoßen gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot.
Das bedeutet auch, dass die Nichtzulassung der Revision in etlichen Fällen entgegen dem Gesetz war. Der BFH hat sich ein Ermessen angemaßt, das ihm lt. FGO nicht zusteht.
Der vorliegende Text gibt einen Überblick über die Erzählungen des BFH und über die Rechtslage und analysiert die neueren Beschlüsse, v.a. I B 65/19.
Der Text ist nicht unbedingt leichte Kost, aber man muss halt schon etwas genauer hinschauen, wenn man die Märchen des BFH entblättern will. Denn die Herren des I. Senates wissen ja ziemlich genau was sie tun.
Und die Kirchen auch, denen der BFH damit so schätzungsweise 100 Mio. € an zusätzlichen Einnahmen zuschanzt – pro Jahr.
Wer Einspruch einlegen oder Klage erheben will, sollte sich diese Punkte anschauen. Ebenso Gerichte, die sich auf die „Rechtsprechung“ des BFH stützen wollen. Zu den meisten Abschnitten werden sukzessive vertiefende Downloads mit Nachweisen etc. zu Verfügung gestellt werden.
Es besteht die Besorgnis einer strukturellen Befangenheit des I. Senats in Kirchgeldsachen.
Download dazu: BFH_Befght-v01
Zusammenfassung
Es gibt keine Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst, die rechtsstaatlichen Anforderungen i.S. des Art. 20 Abs. 3 GG entspricht, insb. nicht von seiten des Bundesfinanzhofes (BFH). Nur Lügen und Willkür.
Diese These sind wir bereit persönlich vor jedem Gremium zu vertreten.
Vorschriften
In allen Bundesländern sind die Vorschriften zur kirchlichen Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe unbestimmt: Es „kann“ das besondere Kirchgeld, es „kann“ aber auch Kircheneinkommensteuer (KiESt) erhoben werden, wenn der kirchenangehörige Ehegatte ein eigenes Einkommen (Eigenverdienst) hat.
Die Finanzverwaltung wendet daher die sog. Vergleichsberechnung an, nach der sie einfach die Steuer mit dem höheren Betrag festsetzt. Die Vorschriften dazu stehen meist in den Kirchensteuerbeschlüssen oder in ministeriellen Erlassen.
In dem ziemlich typischen Fall – kirchenangehörige Ehefrau verdient weniger als ihre konfessionsloser Ehemann – führt das dazu, dass zusätzlich zum Einkommen der Ehefrau auch das ihres konfessionslosen Ehepartners kirchlich besteuert wird. Das dürfte den Kirchen gut 100 Mio. € zusätzlich einbringen – pro Jahr.
Die Gerichte haben diese Vorschriften zur Vergleichsberechnung in ihren Entscheidungen zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst durchweg nicht beachtet, insb. auch nicht der BFH, was lt. BVerfG Willkür (entgegen Art. 20 Abs. 3 GG) bedeutet.
Die Gerichte (FG, VG, OVG/VGH, BFH, BVerfG) haben so das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst ohne Berücksichtigung der Vergleichsberechnung für verfassungsgemäß erklärt – also nicht die tatsächliche Steuerfestsetzung.
Die Gerichte haben dabei die Fallkonstellationen mit und ohne Eigenverdienst des Kirchenmitglieds gleichgesetzt, obwohl diese von Gesetzes wegen ungleich sind und daher nach dem allg. Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gemäß ihrer Verschiedenheit zu behandeln sind.
Denn die Gerichte, allen voran der BFH, haben nicht beachtet, dass nach den KiStG bei Kirchensteuern die Abgabenordnung anzuwenden ist. Nach dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit von Steuern (§§ 3, 38 AO), der lt. BVerfG 2 BvL 7/84 auch für die Kirchensteuern gilt, entsteht nach den KiStG aus dem Tatbestand der glaubensverschiedenen Ehe nur ein Steueranspruch (auf bes. Kirchgeld). Bei einem Eigenverdienst des kirchenangehörigen Ehegatten einer glaubensverschiedenen Ehe entsteht daraus nach den KiStG aber ein weiterer, zweiter Steueranspruch, nämlich auf KiESt aus diesem Eigenverdienst, so dass die beiden Fälle von Gesetzes wegen ungleich sind – nach Tatbestand, anzuwendender Norm, Bestimmtheit, Steueranspruch, Bemessungsgrundlage, Steuertarif und Höhe der Steuer.
Damit verstoßen alle diese Urteile gegen das Gesetz, weil sie Ungleiches nicht gemäß seiner Verschiedenheit behandelt haben, sondern einfach gleichgesetzt haben – noch dazu aufgrund einer gesetzeswidrig erfundenen verfassungsrechtlichen „Begründung“ seitens des BFH (dazu nachstehend).
Das Gerede von Kirchen und Gerichten von wegen Gerechtigkeit etc. pp. ist unzutreffend. Es geht hier um Adressaten unterschiedlicher Normen, und besteuert werden darf nicht die Ehe, sondern allein das Kirchenmitglied.
Zwickmühle
Im Verfahren I B 65/19 wurde dem BFH eine Zwickmühle vorgehalten:
- Entweder die Vergleichsberechnung gilt, dann ist die Rechtsprechung insb. des BFH wegen Nicht-Beachtung einer einschlägigen Vorschrift willkürlich,
- oder sie gilt nicht, dann ist das Vorgehen der Finanzbehörden, den höheren Betrag aus KiESt und besonderem Kirchgeld festzusetzen, willkürlich und hätte von den Gerichten nicht gebilligt werden dürfen.
Damit war der BFH mit seiner bisherigen Standard-Darstellung („Der BFH hat entschieden …“) am Ende und hat sich 2021 erstmals bequemt, etwas zur Vergleichsberechnung zu sagen.
Der I. Senat des BFH weiß sehr genau, dass seine diesbzgl. Entscheidungen alle ohne Rechtsgrund (erfundene verfassungsrechtliche Begründung), entgegen der Rechtslage (BVerfG, insb. 1 BvR 606/60 in seiner Gesamtheit) und willkürlich (Nichtbeachtung von Vorschriften) sind.
Es geht hier auch um bewusst falsche Rechtsanwendung.
Um dennoch den Kirchen das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst zu retten, musste der BFH in I B 65/19 tief in die Trickkiste greifen:
- Ein zusammengelogener Leitsatz – für den er mangels Rechtskraft nicht wegen Rechtsbeugung belangt werden kann;
- Im Beschluss selber dann sehr präzise Formulierungen immer knapp neben der Sache, mit denen der BFH beim Normal-Leser den Irrtum erregt, er habe zur Vergleichsberechnung judiziert, tatsächlich aber einräumt, dass er das nicht getan hat.
Leitsatz: „Höchstrichterlich geklärt“
Im Leitsatz zu seinem Beschluss I B 65/19 behauptet der BFH, es sei „höchstrichterlich geklärt“, dass das besondere Kirchgeld auch dann nicht gegen die Verfassung verstößt, wenn es in Folge der Anwendung der Vergleichsberechnung festgesetzt wurde. Dies ist irreführend und wahrheitswidrig:
- Im Beschluss I B 65/19 steht nur, dass der I. Senat des BFH die Heranziehung zum besondere Kirchgeld auch in der „Sachverhaltskonstellation“ mit Vergleichsberechnung gebilligt hat (Rn 10). Das sagt aber noch lange nichts darüber aus, ob der I. Senat dabei auch die Vergleichsberechnung beachtet hat.
Tatsächlich belegen die Texte der Entscheidungen, dass der I. Senat die Vergleichsberechnung nirgendwo beachtet hat (siehe nachstehende Tabelle). - Es kommt nicht darauf an, dass das besondere Kirchgeld nicht gegen die Verfassung verstößt.
Steuern dürfen NUR aufgrund solcher Bestimmungen erhoben werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (BVerfG v. 14.12.1965 – 1 BvR 413/60, C I 1). - Die angebliche „höchstrichterliche Klärung“ besteht nur aus Willkür, weil alle diesbzgl. Entscheidungen mindestens eine einschlägige Vorschrift (die Vergleichsberechnung) nicht beachtet haben. Das ist nachweisbar (siehe die nachstehende Tabelle).
Der BFH hat diese angebliche „höchstrichterliche Klärung“ in seinem Beschluss I B 65/19 daher nicht konkret benannt, sondern sehr sorgfältig darum herum geredet. - Der Leitsatz zu I B 65/19 dient nur der Desinformation.
Ein Leitsatz ist anders als der Tenor nicht Bestandteil des Urteils, sondern eine außergerichtliche Zutat (BGH I ZR 190/89) zur Information der Öffentlichkeit ohne Rechtskraft (VGH BaWü).
Finanzämter und Gerichte berufen sich in ihren Entscheidungen bereits auf diese Desinformation – böswillig oder mangels Kompetenz.
Aus dem Beschluss I B 65/19
Der BFH hat in I B 65/19 an mehreren Stellen eingeräumt, dass die sog. Vergleichsberechnung bewirkt, dass bei Eigenverdienst das besondere Kirchgeld anstelle von KiESt festgesetzt wird, dass sie also hier einschlägig ist. Dies hatte der BFH in seiner gesamten früheren Rechtsprechung auch bei Klägervorbringen vermieden, wohl weil es zu offensichtlich ist, dass die Vergleichsberechnung nicht der Verfassung gemäß ist.
Im Beschluss I B 65/19 weist der BFH in gezielt ungenauen Formulierungen auf die „Vielzahl“ seiner Entscheidungen hin, in denen er die Vergleichsberechnung verfassungsrechtlich gewürdigt habe. Nichts davon stimmt.
Die Rechtsprechung des BFH zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst besteht nämlich genau genommen nur aus einem einzigen Urteil (I R 64/05, mit den wortgleichen I R 44/05 und I R 62/05); der Rest sind Beschlüsse, die nur auf diese Urteile verweisen. Diese drei Urteile haben die Vergleichsberechnung bei ihren Begründungen nicht etwa übersehen, sondern sie direkt ausgeschlossen.
Die Basis: BFH-Urteile I R 64/05 etc.
In diesem Urteil I R 64/05 sagt der BFH: „Die genannten Bestimmungen sind verfassungsgemäß“.
„Genannt“ hat der BFH aber nur die Bestimmungen zum besonderen Kirchgeld, nicht aber die zur KiESt und auch nicht die zur Vergleichsberechnung. In diesen Entscheidungen I R 64/05 ff. existiert also keine Feststellung zur Konkurrenz der beiden Steuern und auch keine, ob/dass die Vergleichsberechnung verfassungsgemäß ist, weil sie gar nicht „genannt“ wurde.
Der BFH hat die Vorschrift(en) zur Vergleichsberechnung nicht nur nicht beachtet, sondern sie aus seiner Rechtsprechung ausgeschlossen.
Diesen Bauerntrick („die genannten Bestimmungen …“, „nach diesen Bestimmungen …“) benutzen viele Gerichte, um an der Rechtslage vorbei pro Kirche zu entscheiden.
Seine Behauptung „verfassungsgemäß“ zu den „genannten“ (!!) Bestimmungen begründet der BFH in I R 64/05 allein durch einen Verweis auf sein Urteil zur Alleinverdienerehe I R 76/04 („Für die Einzelheiten ….“). Darin kommt die Vergleichsberechnung aber naturgemäß gar nicht vor- beim einkommenslosen Kirchenmitglied ist keine KiESt möglich, also braucht und gibt es keine Vergleichsberechnung.
Tatsächlich besagt das Urteil I R 76/04 das Gegenteil dessen, was der BFH in I R 64/05 unterstellt hat. Der BFH widerlegt sich hier selbst.
I R 76/04 sagt in Rn 29, dass das besondere Kirchgeld „insoweit“ verfassungsgemäß ist, als es sich gemäß BVerfG 1 BvR 606/60 auf das einkommenslose Kirchenmitglied bezieht – was das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst ausschließt.
Zudem durfte das Urteil I R 76/04 überhaupt nichts zu einem Fall mit Eigenverdienst sagen, weder zur Heranziehung noch zur Bemessung.
Das Verfahren I R 76/04 betraf den Fall eines einkommenslosen Kirchenmitglieds (Rn 2), nur darüber war zu entscheiden. Nach §§ 95, 96 FGO darf das Gericht nur über den Streitgegenstand (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) entscheiden, ansonsten ist das Urteil insoweit aufzuheben (BFH VII R 98/85, X B 212/06).
Die Fallkonstellationen mit/ohne Eigenverdienst unterscheiden sich nach §§ 3, 38 AO nach Tatbestand, Rechtsfolge usw. (s.o.). Sie sind also von Gesetzes wegen unterschiedliche Streitgegenstände, die nach dem allg. Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gemäß ihrer Verschiedenheit behandelt werden müssen.
Dazu sagt BFH I R 76/04 kein Wort, also wurde darin über den Fall mit Eigenverdienst nicht entschieden, wie es das Gesetz (§ 96 FGO) verlangt.
BFH I R 64/05 beruht insoweit auf einer doppelten Falschdarstellung bzw. einem doppelten Fehlnachweis und ist diesbzgl. ohne Rechtsgrund.
Dies wurde dem BFH bereits im Verfahren I B 28/18 sehr klar und deutlich vorgetragen, ohne dass der BFH auch nur ein Wort der Widerlegung hat vorbringen können.
Der BFH hat also die Vergleichsberechnung aus der „verfassungsrechtlichen Würdigung“ seiner Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst dreifach ausgeschlossen: Erst hat er sich gar nicht einbezogen, und dann eine Begründung (I R 76/04) angeführt, die dazu gar nichts sagt und nichts sagen darf (§ 96 FGO; s.o.) und zudem sogar das Gegenteil des Behaupteten besagt.
In den Urteilen I R 64/05 etc. existiert also keinerlei Begründung dafür, dass die (ohnehin ausgeschlossene) Vergleichsberechnung verfassungsgemäß wäre und ebenso wenig natürlich in den anderen Entscheidungen. Ebenso wenig existiert darin eine Beurteilung oder gar Bestätigung der Verfassungsmäßigkeit des besonderen Kirchgeldes bei Eigenverdienst – im Gegenteil („insoweit“).
Darauf beruhen auch die nachfolgenden Beschlüsse des BFH mit ihrer angeblichen „verfassungsrechtlichen Würdigung“.
Der BFH täuscht in seiner gesamten Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst eine Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen (!!) Vorschriften vor, die nicht gegeben ist.
Gerichtliche Entscheidungen, die eine einschlägige Vorschrift nicht beachtet haben, sind nach der Rechtsprechung des BVerfG willkürlich, verstoßen also gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot aus Art. 20 Abs. 3 GG (s. z.B. BVerfG 1 BvR 1021/17, 2 BvR 2048/12, 1 BvR 1243/88). Nach der Rechtsprechung des BFH sind sie „gesetzeswidrig“ (s. z.B. BFH VI B 58/16, V B 72/02).
Darauf beruht auch die gesamte Rechtsprechung der unteren Gerichte (FG, VG, OVG/VGH). Alle haben selber die Vergleichsberechnung nicht beachtet und sich auf die o.a. Rechtsprechung des BFH berufen – entgegen dem Rechtsstaatsgebot und ihrer Bindung an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG.
Das BFH-Urteil I R 76/04 wurde im BStBl. 2006 II S 274 veröffentlicht und ist damit für die Finanzbehörden verbindlich. Nach diesem Urteil ist das besondere Kirchgeld wie gezeigt nur beim einkommenslosen Kirchenmitglied und nicht bei Eigenverdienst zulässig. Die Finanzverwaltung praktiziert das Gegenteil und die Finanzminister lassen das laufen – Dienstaufsicht Fehlanzeige.
Willkür in allen diesbzgl. Verfahren
Nach unserer Kenntnis gibt es zwölf Verfahren, in denen der BFH über das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst des kirchenangehörigen Ehegatten (bzw. über die Zulassung der Revision dazu) entschieden hat, wo also die Vergleichsberechnung „einschlägig“ war. In allen hat der BFH die Vergleichsberechnung weder beachtet noch verfassungsrechtlich geprüft, wie die nachstehende tabellarische Auswertung von BFH-Entscheidungen zum besonderen Kirchgeld und verwandten Themen aufzeigt:
Die von den Kirchensteuergesetzen vorgegebene Anwendung der Abgabenordnung (AO) hat sowieso keines der Gerichte beachtet. Nach §§ 3, 38 AO liegen bei der Allein- bzw. Beidverdienerehe unterschiedliche gesetzliche Tatbestände vor, die zu unterschiedlichen Steueransprüchen führen (nur bes. Kirchgeld oder auch noch KiESt). Daher sind die beiden Falllkonstellationen von Gesetzes wegen ungleich und dürfen wegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht einfach gleichgesetzt werden – was BFH und BVerfG aber so praktiziert haben.
Es gibt auch keine anderen höchstrichterlichen Entscheidungen zur Vergleichsberechnung.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat nicht zur Vergleichsberechnung entschieden, insbesondere nicht in seinem wichtigen Urteil VII C 48.73 von 1977 zur Kirchgeldtabelle beim einkommenslosen Kirchenmitglied.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss 2 BvR 591/06 von 2010 die landesrechtlichen Bestimmungen überhaupt nicht beachtet, insbesondere auch nicht die Vergleichsberechnung, obwohl es um die Beidverdienerehe ging. Damit hat auch das BVerfG eine einschlägige Vorschrift nicht beachtet.
Das BVerfG hat seine Entscheidung zum besonderen Kirchgeld bei Beidverdienerehe in 2 BvR 591/06 nur mit einer wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptung zu seiner Rechtsprechung zur Besteuerung des Lebensführungsaufwandes von 1965 begründet. Der BFH hat dies in I B 65/19 insoweit eingeräumt, als er diesem Vorwurf nur eine dümmliche Bemerkung zu den Fähigkeiten der dortigen Klägerin entgegenzuhalten wusste.
Zudem hat das BVerfG in 2 BvR 591/06 die Bemessung am gemeinsamen Einkommen bei Beidverdienerehe nur mit einem Fehlnachweis auf das BFH-Urteil I R 76/04 zur Alleinverdienerehe begründet, das diesbzgl. allein auf das Urteil BVerwG VII 48.73 verweist. Und dort wurde diese Bemessung explizit auf das einkommenslose Kirchenmitglied begrenzt (Rn 33).
Im Übrigen hat das BVerfG in 2 BvR 591/06 klargestellt, wo „die für die Entscheidung“ über die „Heranziehung zum besonderen Kirchgeld als einer Erscheinungsform der Kirchensteuer“ „im Wesentlichen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen“ „bereits geklärt“ sind, nämlich im Urteil des BVerfG 1 BvR 606/60, und zwar in seiner Gesamtheit („insb. BVerfGE 19, 268„) und nicht nur im dortigen Obiter dictum („BVerfGE 19, 268 [282]„).
Das bedeutet u.a., dass bei einem Eigenverdienst des kirchenangehörigen Ehegatten nur dieser und nicht auch das Einkommen seines konfessionslosen Ehepartners kirchlich besteuert werden darf:
- Wenn die Kirche ihre Steuer am Einkommen bemisst, „muß“ es das Einkommen des Kirchenmitglieds sein (BVerfG 1 BvR 606/60, Ziff. C I 2).
Das betrifft auch das besondere Kirchgeld, weil die Kirchgeldtabelle das Einkommen als Maßstab heranzieht. - Dem Kirchenmitglied darf nicht das Einkommen seines konfessionslosen Ehepartners zugerechnet werden (ebd., Ziff. C I 2a, d).
All dies übergehen die Gerichte und beziehen sich nur auf die üblichen Falschdarstellungen oder den o.a. wahrheitswidrigen Bericht des BVerfG zu seiner Rechtsprechung von 1965 zur Besteuerung des Lebensführungsaufwandes (von dem eh keiner weiß was das ist, so der hess. VGH).
Kein Gericht konnte dieser Darlegung bisher etwas entgegenhalten.
Wahrheitswidrige Darstellung
Daher sagen wir hier und auch sonst, dass der BFH mit seiner Darstellung in I B 65/19 eine wahrheitswidrige Behauptung zur Rechtslage aufgestellt hat (vulgo: gelogen hat), und zwar solange, bis der BFH eine höchstrichterliche Entscheidung im Volltext vorlegt und am konkreten Zitat nachweist, dass darin die Vergleichsberechnung beachtet und verfassungsrechtlich geprüft worden ist, wie es die Pflicht des Gerichts ist.
Die sehr sorgfältig formulierte Darstellung des BFH in I B 65/19 bestätigt bei genauem Lesen aber die hiesige Auffassung, dass es eine solche nicht gibt.
Dort sagt der BFH nämlich, dass er (nur) die neueren landesgesetzlichen Bestimmungen zum besonderen Kirchgeld verfassungsrechtlich betrachtet habe, also nicht die (ältere) KiESt und auch nicht die Vergleichsberechnung, denn die steht in seinen o.a. Urteilen in einem ministeriellen Erlass, war dort also untergesetzliches Recht.
Daher sagen wir weiter, dass die obige Falschdarstellung im Leitsatz sowie die irreführende Darstellung im Beschluss bewusst erfolgt sind.
Der BFH hat damit in I B 65/19 eingeräumt, dass
1) die Vergleichsberechnung einschlägig ist, und
2) dass er sie bei seinen Entscheidungen zum besonderen Kirchgeld nicht beachtet hat.
Damit hat der BFH in I B 65/19 mittelbar für seine Rechtsprechung eingeräumt, dass sie nach den Maßstäben des BVerfG wegen der Nichtbeachtung einschlägiger Vorschriften gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot aus Art. 20 Abs. 3 GG verstößt.
Daraus also besteht die angebliche „höchstrichterliche Klärung“ zur „Verfassungsmäßigkeit der Vergleichsberechnung“:
Bewusst falsche Rechtsanwendung, Willkür und Desinformation.
Revision vorweggenommen
(Nicht-)annahmebeschlüsse wie I B 65/19 haben eigentlich nur die Aufgabe festzustellen, ob die gesetzlichen Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegen oder nicht.
Sie haben nicht die Aufgabe, Klärungen in der Sache oder zur Rechtslage herbeiführen; das ist Sache des Revisionsverfahrens.
Der BFH hat aber in den Beschlüssen I B 28/18 und I B 65/19 sukzessive immer neue Varianten für die Einkommensgrenze beim besonderen Kirchgeld erfunden.
Anstatt gemäß BVerfG „nur wenn einkommenslos“ behauptet der BFH dort, das besondere Kirchgeld sei auch dann zulässig: Wenn kirchensteuerfrei, bei Einkommen unterhalb des Grundfreibetrags, bei geringfügiger Kirchensteuer, bei geringem Einkommen, bei irgendeinem Einkommen oder auch bei hohem Einkommen. Man kann es sich heraussuchen, zudem schließt eine niedrigere Grenze die höheren Grenzen aus. Nur verworren.
Zudem sind die meisten dieser Erfindungen ohnehin mangels Bestimmtheit irrelevant, weil der BFH keine Wertgrenzen genannt hat, einige sind direkt entgegen einer Rechtsprechung des BVerfG zur Kirchensteuer als Annexsteuer.
Damit liegt zum Einen eine Tatbestandsausweitung gegenüber der originalen verfassungsrechtlichen Begründung der Besteuerung des Lebensführungsaufwandes beim BVerfG vor. Zum anderen setzt der BFH hier andere Einkommensgrenzen an als in seiner früheren Rechtsprechung vor I B 28/18. Was nun gilt und was nicht, hat der BFH nicht gesagt – das Chaos aus I B 28/18 wurde noch verschlimmert.
Eine Vorwegnahme des Revisionsergebnisses dürfte verfassungswidrig sein (so jedenfalls das BVerfG zur Zulassung der Berufung).
Die unteren Instanzen laufen diesem höchstrichterlichen Unfug brav hinterher.
Auf die o.a. Entscheidungen des BFH berufen sich die Finanzbehörden und die Rechtsprechung der unteren Gerichte zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst, wenn sie sagen, „das besondere Kirchgeld und die Bestimmungen dazu sind verfassungsgemäß“ – wie es die Kirchen von den Landesregierungen verlangen.
Es lebe der Rechtsstaat!
Im Einzelnen:
5.1 Der Ausgangpunkt
Das besondere Kirchgeld geht zurück auf das Obiter dictum im Urteil des BVerfG 1 BvR 606/60 Ziff. C II 2, das auf tragenden Gründen dieses Urteils beruht.
Das BVerfG hat in diesem Urteil die Individualbesteuerung bestätigt und daher die kirchliche Besteuerung der glaubensverschiedenen Ehe als Gemeinschaft untersagt.
Landesrecht und Erhebungspraxis weichen davon ab.
5.1.1 Die verfassungsrechtlichen Grundlagen
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat 1965 in seinem Urteil 1 BvR 606/60 den sog. Halbteilungsgrundsatz zur Kirchensteuer untersagt, nach dem bei glaubensverschiedener Ehe die Kirchensteuer nach der Hälfte des zusammengerechneten Einkommens der Ehegatten bemessen worden war. Grund dafür war, dass die Kirchen wegen des Grundsatzes der Individualbesteuerung nur ihre Mitglieder und nur deren Einkommen besteuern dürfen, nicht aber die Ehe. Dem steuerpflichtigen Ehegatten dürfe nicht das Einkommen seines nicht steuerpflichtigen Ehepartners zugerechnet werden.
Das BVerfG hat es in einer Ergänzung („Obiter dictum“) zu diesem Urteil aber ermöglicht, dass der „Lebensführungsaufwand“ des kirchenangehörigen Ehegatten dann kirchlich besteuert werden kann, wenn dieser ansonsten „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei bliebe“.
Lt. BVerfG 2 BvR 591/06 sind in diesem Urteil in seiner Gesamtheit die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen der kirchlichen Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe sowohl für die Heranziehung zur Kirchensteuer als auch für die Heranziehung zum „besonderen Kirchgeld als einer Erscheinungsform der Kirchensteuer“ geklärt – und eben nicht nur im Obiter dictum dieses Urteils.
5.1.2 Kirchensteuergesetze & Co.
Die Kirchen haben im Laufe der Zeit, v.a. in 90-er Jahren, dafür gesorgt, dass die Landesregierungen bzw. Landtage den Kirchensteuergesetzen (KiStG) der Länder entsprechende Kann-Bestimmungen zum besonderen Kirchgeld hinzugefügt haben, durchweg aber ohne die vom BVerfG verfügte Einschränkung auf das einkommenslose Kirchenmitglied.
Die Kirchen berufen sich dabei auf die Ehe als „Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs“, was aber nur eine Begründung für den Splittingtarif bei der Einkommensteuer ist. Für die Kirchensteuer hat das BVerfG die Besteuerung der Ehe explizit untersagt (Individualbesteuerung). Auch das kirchliche Gerede um mehr Steuergerechtigkeit ist nur eine faule Ausrede: Es ging den Kirchen darum, Einnahmeausfälle bei der KiESt aus staatlichen Steuerreformen abzufedern, wie man in Landtagsprotokollen nachlesen kann.
Die o.a. Ergänzung der KiStG für das besondere Kirchgeld hat zu einer Unbestimmtheit in den KiStG geführt, weil bei glaubensverschiedener Ehe bei einem eigenen Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten sowohl KiESt als auch das besondere Kirchgeld „erhoben werden kann“, gern auch „nebeneinander“. Diese Unbestimmtheit wird durch die sog. Vergleichsberechnung (meist in den kirchlichen Bestimmungen) gelöst: Der höhere Betrag wird festgesetzt, einfach so. Die obersten Finanzbehörden der Länder haben diese Abzocke in die Neuen Länder übertragen, so nachweisbar für Sachsen und Sachsen-Anhalt.
5.1.3 Bemessungsgrundlage und Kirchgeldtabelle
Einzelne Kirchen haben zur Bemessung des besonderen Kirchgeldes um 1970 die sog. Kirchgeldtabelle eingeführt, weil der sog. „Lebensführungsaufwand“ steuerlich nicht fassbar ist. Daher wird dieser Lebensführungsaufwand „hilfsweise“ am „gemeinsam zu versteuernden Einkommen der Ehegatten“ bemessen. Eine solche lose Anknüpfung an das „Einkommen des anderen Ehegatten“ habe das BVerfG 1965 angedeutet, so das BVerwG.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat 1977 diese Bemessungsgrundlage und auch die Kirchgeldtabelle in seinem Urteil VII C 48.73 zur Alleinverdienerehe gebilligt, beides aber wegen des o.a. Urteils des BVerfG explizit auf das einkommenslose Kirchenmitglied beschränkt (Rn 33). Die Gerichte verweisen durchweg direkt oder indirekt auf dieses Urteil des BVerwG, unterschlagen aber alle (insb. der BFH) konsequent die genannte Einschränkung auf das einkommenslose Kirchenmitglied – wie die Kirchen das für ihre Mehreinnahmen benötigen.
5.1.4 Individualbesteuerung vs. Ehe-Besteuerung
Es wird immer wieder behauptet, wegen der Zusammenveranlagung bei der Einkommensteuer dürfe das gemeinsam zu versteuernde Einkommen der Ehegatten auch im Falle eines Eigenverdienstes des kirchenangehörigen Ehegatten einer glaubensverschiedenen Ehe kirchlich besteuert werden.
So begründet der BFH in I B 65/19 Rn 11 ein besonderes Kirchgeld bei geringem Eigenverdienst damit, dass der Lebensführungsaufwand auch hier eine Steigerung erfahre, wenn der andere Ehepartner ein hohes Einkommen hat. Dazu verweist der BFH auf das Urteil des FG Köln 11 K 1389/03, als ob das für diese Binsenweisheit erforderlich wäre. Tatsächlich dient diese „Argumentation“ nur dazu, die Vorgabe des BVerfG „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ auszuhebeln.
Tatsächlich ist bei einem Eigenverdienst des kirchenangehörigen Ehegatten eine evtl. Steigerung seiner Leistungsfähigkeit bzw. seines Lebensführungsaufwandes durch das Einkommen seines konfessionslosen Ehepartners für die kirchliche Besteuerung völlig irrelevant.
Denn lt. BVerfG darf die Kirche bei einem Eigenverdienst des kirchenangehörigen Ehegatten genau nur diesen Eigenverdienst besteuern, das Einkommen des konfessionslosen Ehegatten geht sie überhaupt nichts an, es darf diesem Eigenverdienst nicht hinzugerechnet werden.
Derartige kirchliche Wandersagen von der Steigerung des Lebensführungsaufwandes werden von vielen Gerichten verbreitet. Wir gehen daher am Beispiel dieses Urteils des FG Köln 11 K 1389/03 etwas näher darauf ein.
Im Einzelnen:
a) Das FG Klön widerlegt sich selbst:
Das FG Köln begründet das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst mit dem Splittingtarif bei der Einkommensteuer: „Der bei der Zusammenveranlagung anzuwendende Splittingtarif beruht auf der Vorstellung, dass zusammen lebende Ehegatten eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs bilden …“. Daher dürfe „sich die Steuererhebung an dieser Größe orientieren“ (Rn 27), auch beim besonderen Kirchgeld (Rn 28). Lt. FG Köln ist also die Zusammenveranlagung der entscheidende Grund für die Steuererhebung.
Bei Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer werden die Ehegatten als ein Steuerpflichtiger behandelt (§ 26 b EStG), sie sind Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO), d.h., jeder haftet für gesamte Steuerschuld.
Dies ist für die Kirchensteuer bei glaubensverschiedener Ehe unzulässig: „Der der Kirche nicht angehörende Ehegatte darf weder als Steuerschuldner noch im Wege der Haftung zur Erfüllung dieser Steuerpflicht herangezogen werden.“ (BVerfG 1 BvR 606/60, Ziff. C I 1). Daran ändern auch die üblichen Falschdarstellungen zum Lebensführungsaufwand durch Weglassen der Vorgabe „einkommenslos“ nichts.
Thema erledigt.
b) Die Begründung des FG Köln in 11 K 1389/03 ist auch sonst untauglich.
aa) In Deutschland gilt die Individualbesteuerung, die 1958 bei der Einkommensteuer durch das Ehegattensplitting ergänzt wurde. Bei der Kirchensteuer gibt es kein Ehegattensplitting, es gilt allein die Individualbesteuerung.
bb) Das FG Köln sagt in seinem Urteil 11 K 1389/03 Rn 27, der bei der Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer anzuwendende Splittingtarif beruhe auf der Vorstellung, dass zusammen lebende Ehegatten eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs bilden, was die Leistungsfähigkeit der Ehegatten steigere. Daher dürfe sich „die Steuererhebung“ am gemeinsamen Einkommen orientieren (Rn 28).
cc) Diese Begründung zum Splittingtarif der Einkommensteuer überträgt das FG Köln einfach so auf die Kirchensteuer. Dies ist direkt entgegen der Rechtsprechung des BVerfG, wonach die Ehe nicht Anknüpfungspunkt der Kirchensteuer sein kann (Zitate nachstehend).
dd) Das FG Klön verweist dazu (Rn 27) auf das Urteil des BFH I R 85/94. Dieses betrifft aber nur die innereheliche Verrechnung (nicht die Bemessungsgrundlage!!) der KiESt bei konfessionsverschiedener Ehe. Dies ist eine völlig andere Fragestellung in einer völlig anderen Rechtskonstellation (Rechtsgrundlagen, Steuerpflichtige usw.), die die Höhe der von den beiden Eheleuten insgesamt zu zahlenden KiESt überhaupt nicht verändert. Das FG Köln überträgt sie ohne jede Begründung auf das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst (Rn 28), was i.d.R. eine andere und höhere Kirchensteuer bedeutet. Das nennt man gemeinhin Willkür.
c) Verfassungswidrige Begründung
Auch aus dem Obiter dictum in BVerfG 1 BvR 606/60 Ziff. C II 2 ergibt sich, dass die o.a. Begründung des FG Köln verfassungswidrig ist.
Das BVerfG steckt darin seinen Handlungsspielraum für die Behebung der vermuteten Unbilligkeit mit zwei tragenden Gründen aus dem Urteil (Ziff. C I 1, C I 2) ab und verweist 1) darauf, dass die Kirche nur den ihr angehörigen Ehegatten besteuern darf. Daher dürften 2) nur Besteuerungsmerkmale gewählt werden, die in dessen Person gegeben sind. In Ziff. C I 2 heißt es dazu weiter:
„Wählt sie [die Kirche] das Einkommen im Sinne des Einkommensteuerrechtes als Maßstab, dann muß es das marktwirtschaftliche Einkommen (im Sinne des Einkommensteuergesetzes) des kirchenangehörigen Ehegatten sein.“ (ebd., Ziff. C I 2).
Die Kirchen haben sowohl bei der KiESt als auch beim besonderen Kirchgeld das Einkommen als Maßstab ihrer Kirchensteuer gewählt. Bei einem eigenen Einkommen des kirchenangehörigen Ehegatten ist lt. BVerfG mit diesem Einkommen das Besteuerungsmerkmal gegeben und zwingend festgelegt, das zusammengerechnete Einkommen beider Ehegatten darf nicht Maßstab der Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe sein.
Nur wenn kein eigenes Einkommen des Kirchenmitglieds vorliegt, besteht Raum für ein anderes Besteuerungsmerkmal wie z.B. den Lebensführungsaufwand. Wie dieser bemessen wird, ist dann eine andere Frage.
Da die o.a. tragenden Gründe bindend sind, nützt es für eine Umgehung der unliebsamen Klausel „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ nichts, das Obiter dictum für nicht bindend zu erklären, was ohnehin etwas anderes ist „veränderbar“. Wie gesagt: Das Obiter dictum beruht auf tragenden Gründes dieses Urteils.
d) Splitting nicht anwendbar
Das BVerfG hat zur kirchlichen Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe gesagt, dass darauf die Grundsätze des Splitting nicht angewandt werden dürfen. Dabei ist zu beachten, dass das besondere Kirchgeld lt. BVerfG 2 BvR 591/06 eine „Erscheinungsform der Kirchensteuer“ ist, so dass die nachfolgenden Rechtssätze als tragende Gründe auch für das besondere Kirchgeld gelten:
- „Die Anknüpfung der Kirchensteuer an das Familieneinkommen würde nach diesen Darlegungen also zu einer Art Haushaltsbesteuerung führen, wie sie vor 1958 im Einkommensteuerrecht gegolten hat. Da aber im heutigen staatlichen Einkommensteuerrecht das Steuerverhältnis ein individuelles ist und die Ehe über die Unterhaltsgemeinschaft hinaus keine enge Wirtschaftsgemeinschaft begründet …“ (BVerfG 1 BvR 606/60, Ziff. C I 2d)
- „In einer glaubensverschiedenen Ehe besteht gerade auf dem hier in Betracht kommenden Gebiete der religiösen Überzeugung und Haltung eine Gemeinschaft nicht; die eheliche Gemeinschaft beruht nicht auf der gemeinsamen Anerkennung religiöser Glaubensinhalte, Wertvorstellungen und Verpflichtungen.“
(BVerfG, 1 BvL 3/62, Rn 38) - „Im übrigen kann die Ehe zum Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen nur insoweit gemacht werden, als dies der Natur des zu regelnden Lebensgebietes entspricht (BVerfGE 6, 55 [76 f.]). Dies ist hier nicht der Fall. Die Kirchensteuerpflicht ist die wirtschaftliche Entsprechung und Folge der Kirchenzugehörigkeit, d.h. einer höchstpersönlichen Beziehung. Das zu regelnde Steuerverhältnis ist aber seinem Wesen nach ein individuelles.“ (BVerfG, 1 BvL 31/62, Rn 39)
- Das Splittingverfahren setzt voraus, dass beide Ehegatten steuerpflichtig sind. „Bei der Kirchensteuer aber ist von vornherein nur der kirchenangehörige Ehegatte steuerpflichtig.“ …„Es fehlt daher einer solchen Ehe rechtlich die Möglichkeit, in Anwendung der Grundsätze des Splitting dem kirchenangehörigen Ehegatten Einkünfte zuzurechnen, die dem nicht der Kirche angehörenden Eheteil zufließen.“ (BVerfG 1 BvR 606/60, Ziff. C I 2a)
- Es ist systemwidrig, wenn das Einkommen eine steuerpflichtigen mit dem eines nicht steuerpflichtigen Ehegatten zusammengerechnet wird. (BVerfG 1 BvR 606/60, Ziff. C I 2d)
- Ehegüterrecht, Güterstand und Unterhaltsrecht ändern an alledem nichts (BVerfG 1 BvR 606/60, Ziff. C I 2b,c)
- Und weiter: „Der Splittingtarif dient nur dazu, der Steuerprogression entgegen zu wirken. Eine Methode hat keine steuerbegründende Wirkung.“ (BVerfG 1 BvR 606/60, Ziff. C I 2a) „Es gilt die Individualbesteuerung.“ (BVerfG 1 BvR 606/60, Ziff. C I 2d) „Die Kirche darf nur ihre Mitglieder und deren Einkommen besteuern, nicht aber die Ehe.“ (BVerfG 1 BvR 606/60, Ziff. C I 1)
Dies alles gilt wie gesagt auch für das besondere Kirchgeld als „eine Erscheinungsform der Kirchensteuer“.
e) Kirchgeldtabelle nur wenn einkommenslos
Das BVerwG hat in VII C 48.73 Rn 33 die Anwendung der Kirchgeldtabelle mitsamt der Besteuerungsgrundlage „gemeinsam zu versteuerndes Einkommen der Ehegatten“ auf das einkommenslose Kirchenmitglied beschränkt, was das FG Köln natürlich vornehm verschwiegen hat, wie auch der BFH.
f) Kirche muss geringe KiESt hinnehmen
Das BVerfG hat in 2 BvR 443/01 Rn 75 festgestellt, dass die Kirche Auswirkungen des Einkommensteuertarifs hinnehmen muss, wenn sie ihre Steuern als Annexsteuer an die staatliche Einkommensteuer knüpft. Also muss sie es bei einem geringen Einkommen des Kirchenmitglieds hinnehmen, dass die KiESt ebenfalls gering ist, egal was der andere Ehepartner verdient. Das o.a. Einstiegsargument des BFH einer erhöhten Leistungsfähigkeit entfällt.
Es liegt auf der Hand, dass eine klare verfassungsrechtliche Feststellung des BVerfG den unsubstantiierten Billigkeitsvermutungen des BFH vorgeht.
g) Finanzbedarf ist kein Grund
Auch die angeblich unzureichende Beteiligung an der Finanzierung der kirchlichen Gemeinschaftsaufgaben ist kein Argument dafür, bei Eigenverdienst eine andere Steuer als die KiESt auf diesen Eigenverdienst zu begründen: „Es versteht sich von selbst, daß der Finanzbedarf der steuerberechtigten Religionsgesellschaften allein die Besteuerung nicht rechtfertigen kann.“ (BVerfG 1 BvR 413/60, Rn 59).
h) Zudem kann die Bemessung einer Steuer nicht die Heranziehung begründen (§ 38 AO i.V.m. §§ 155 ff AO). So auch BVerfG 1 BvL 31/62, Rn 47, letzter Satz im Umkehrschluss.
i) Der BFH war bisher nicht in der Lage, auf derartige Darlegungen in den NZBs I R 107/13, I B 28/18 sowie I B 65/19 qualifiziert zu reagieren, er ist ihnen nur ausgewichen.
5.2 Das Lügengebäude
Das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst ist nur mit einem Gebäude aus Umdeutungen, Falschdarstellungen und Rechtswidrigkeiten begründet. Nichts stimmt.
Das besondere Kirchgeld bei glaubensverschiedener Ehe beruht verfassungsrechtlich wie gesagt auf dem sog. Obiter dictum des BVerfG, das die Besteuerung des sog. Lebensführungsaufwandes dann zugelassen hatte, wenn der kirchenangehörige Ehegatte bei gutem Verdienst seines Ehepartners „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei bliebe“.
Die Kirchen berufen sich auf dieses Obiter dictum. Sie haben aber dafür gesorgt, dass seine Einschränkung „einkommenslos“ nicht in die KiStG übernommen wurde. Ein Obiter dictum sei ja nicht bindend – als ob deshalb jedermann Rechtssätze des BVerfG nach dem Rosinenprinzip zu seinem Vorteil verändern dürfte.
Bei Bedarf wird behauptet, das Urteil des BVerfG 1 BvR 606/60 gelte nicht für das besondere Kirchgeld, das Urteil beziehe sich ja nur auf Ehen in Getrenntveranlagung. Das ist erstens unzutreffend, wie man dem Urteil (Ziff. C II 1 mit A 1) selbst entnehmen kann, und zweitens irritierend. Weshalb sollte dann das Obiter dictum aus diesem Urteil bei Zusammenveranlagung gelten?
Weil keiner weiß, was der „Lebensführungsaufwand“ steuerlich bedeutet, wird dieser hilfsweise am gemeinsam zu versteuernden Einkommen der Ehegatten bemessen, worauf die bundesweite Kirchgeldtabelle beruht. Das BVerwG hat diese Methode in einem Fall der Alleinverdienerehe gebilligt und explizit darauf beschränkt.
Keine Kirche und kein Gericht hat aber je behauptet, die Kirchgeldtabelle beziehe sich daher nur auf die Alleinverdienerehe. Im Gegenteil: Alle übergehen diese Einschränkung seitens des BVerwG und wenden die Kirchgeldtabelle auch bei der Beidverdienerehe an.
So wird je nach Bedarf unterschiedlich gelogen, von Kirchen, Behörden und Gerichten im Gleichschritt.
Das FG München z.B. hat es in einem Urteil geschafft, sich auf den Beschluss des BFH I B 109/12 zu berufen, und ein paar Seiten weiter zu erklären, der Beschluss betreffe den verhandelten Streitfall gar nicht.
Die staatlichen KiStG ermächtigen die Kirchen, bei glaubensverschiedener Ehe sowohl KiESt als auch das besondere Kirchgeld zu erheben. Die Gerichte „übersehen“ durchweg die Bestimmungen der KiStG zur KiESt und berufen sich allein darauf, dass das besondere Kirchgeld erhoben werden „kann“ – was den Grundsätzen der Tatbestandsmäßigkeit und der Bestimmtheit zuwider läuft. „Kann“ ist unbestimmt und daher auch in der mäßig seriösen Medizin-Werbung beliebt: „Kann bei Fußschweiß helfen“ (oder auch nicht).
Aufgrund dieser Konkurrenz von KiESt und besonderem Kirchgeld entsprechen die KiStG insoweit nicht dem Grundsatz der Bestimmtheit für steuerliche Vorschriften. Diese Unbestimmtheit wird mit einer sog. Vergleichsberechnung gelöst: Es wird einfach der höhere Betrag festgesetzt. Für diese willkürliche Abzocke gibt es keinerlei rechtliche Begründung, alle Gerichte haben daher die Vergleichsberechnung „übersehen“ und es aus gutem Grund vermieden, sie auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Erst dadurch wird das besondere Kirchgeld für die Kirchen lukrativ, denn so können sie wie beim verbotenen Halbteilungsgrundsatz auf das Einkommen von Nicht-Kirchenmitgliedern zugreifen.
Dies verstoße aber nicht gegen den Grundsatz der Individualbesteuerung, da ja nur der Lebensführungsaufwand des Kirchenmitglieds besteuert werde. Hier werden nun alle Lügen konzentriert offensichtlich: Der Lebensführungsaufwand darf lt. BVerfG nur beim einkommenslosen Kirchenmitglied den Gegenstand der Besteuerung bilden, an den Lebensführungsaufwand kann die Steuer mangels tatbestandlicher Schärfte nicht anknüpfen (BVerwG), die tatsächliche Bemessungsgrundlage „gemeinsam zu versteuerndes Einkommen“ ist lt. BVerwG ebenso auf einkommenslose Kirchenmitglied beschränkt, und lt. BVerfG darf dem steuerpflichtigen Kirchenmitglied nicht das Einkommen seines nicht-steuerpflichtigen Ehepartners zugerechnet werden.
Gegen Letzteres wird eingewandt, die tragenden Gründe des Urteils 1 BvR 606/60 des BVerfG beträfen ja nicht das besondere Kirchgeld. Das BVerfG hat sich aber im Obiter dictum auf zweie dieser tragenden Gründe gestützt und in seinem Beschluss 2 BvR 591/06 das Urteil 1 BvR 606/60 in seiner Gesamtheit für die Kirchensteuer sowie für „das besondere Kirchgeld als einer Erscheinungsform der Kirchensteuer“ als verfassungsrechtlich maßgeblich festgestellt.
Der BFH hat 2005 das besondere Kirchgeld für das einkommenslose Kirchenmitglied gebilligt, und diesem sodann auffällig schnell die andere Fallkonstellation „mit Eigenverdienst“ gleichgesetzt, per Falschzitat und entgegen dem Gesetz. Dabei hat der BFH etliche Vorschriften übersehen, insb. die Vergleichsberechnung. Seine Entscheidungen betreffen insoweit überhaupt nicht die Erhebungspraxis der Finanzverwaltung, werden aber gleichwohl überall zugrunde gelegt. Gerichte und Behörden schreiben die Rechtsfehler des BFH fort.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind gerichtliche Entscheidungen, die einschlägige Vorschriften übersehen haben, willkürlich. Dies trifft auf die gesamte Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst zu, insb. auch auf die des BFH und des BVerfG.
Das BVerfG hat in einem Beschluss von 2010 das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst mit einer wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptung zu seiner originären Rechtsprechung von 1965 begründet. Der BFH konnte ein entsprechendes Klägervorbringen nicht widerlegen und brachte dazu nur eine dumme Bemerkung zustande.
5.3 Die Urteile des BFH im Faktencheck
Die Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst beruht weitestgehend auf der des BFH.
Der BFH hat 2005 in seinem Urteil I R 76/04 das besondere Kirchgeld für die Sachverhaltskonstellation der Alleinverdienerehe gebilligt. Es sei „insoweit“ (!!) verfassungsgemäß, als es sich gemäß BVerfG auf das einkommenslose Kirchenmitglied beziehe (Rn 29).
Kurz danach hat der BFH in seinem Urteil I R 44/05 sowie den nahezu wortgleichen Urteilen I R 64/05 und I R 62/05, alle zu Fällen aus NRW, entgegen der o.a. Rechtsprechung des BVerfG das besondere Kirchgeld auch bei Eigenverdienst (Beidverdienerehe) für verfassungsgemäß erklärt, indem er es dem besonderen Kirchgeld beim einkommenslosen Kirchenmitglied gleichgesetzt hat und mit Verweis auf sein Urteil I R 76/04 begründet hat. Dies ist das erste Märchen vom BFH. Die nachfolgenden Beschlüsse bestehen i.W. aus Verweisen auf diese Urteile.
5.3.1 Entgegen der AO
Die Gleichsetzung des besonderen Kirchgeldes mit und ohne Eigenverdienst widerspricht dem KiStG und der AO.
In seinem Beschluss vom 09.06.2021 – I B 65/21 (Thema Befangenheit) hat der I. Senat des BFH leicht pikiert gemeint (S. 4), vor dem Hintergrund des BVerfG-Beschlusses 2 BvR 591/06 sei nicht erkennbar, weshalb es willkürlich sein solle, wenn der Senat hier nicht streng zwischen kirchenangehörigen Ehegatten mit und ohne eigenem Einkommen differenziere.
Die eine Antwort hatte die Klägerin in ihrer NZB-Begründung mit dem Nachweis auf die wahrheitswidrige Tatsachenbehauptung in BVerfG BvR 591/06 gegeben, der der Senat nur eine dumme Bemerkung entgegenhalten konnte (dazu nachstehend).
Die andere Antwort steht im Gesetz, das dem I. Senat des BFH offensichtlich nicht so ganz vertraut ist:
Die drei Urteile I R 44/05 etc. betrafen Fälle aus NRW. Nach § 8 KiStG NRW ist auf die Kirchensteuern die Abgabenordnung (AO) wie bei der Einkommensteuer anzuwenden. Eine solche Vorschrift findet sich in allen KiStG.
Nach § 38 AO entsteht der Steueranspruch, wenn der gesetzliche Tatbestand verwirklicht ist. Beim einkommenslosen Kirchenmitglied entsteht aufgrund seiner glaubensverschiedener Ehe nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG NRW genau ein Steueranspruch, nämlich auf das besondere Kirchgeld.
Beim Kirchenmitglied in glaubensverschiedener Ehe mit Eigenverdienst besteht aber ein weiterer, zweiter Tatbestand, nämlich der des eigenen Einkommens. Damit entsteht nach § 4 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 7 Abs. 2 KiStG NRW zusätzlich ein zweiter Steueranspruch, nämlich auf KiESt auf diesen Eigenverdienst.
Die beiden Fälle sind somit nach Tatbestand (ein oder zwei) und Rechtsfolge (ein oder zwei Steueransprüche) von Gesetzes wegen ungleich und müssen nach Art. 3 Abs. 1 GG entsprechend ihrer Verschiedenheit behandelt werden, so das BVerfG. Dies hat der BFH übergangen.
Dies alles gilt bundesweit, da die KiStG der Länder diesbzgl. gleich sind.
Der Einwand einer Finanzbehörde, dass § 38 AO hier unbeachtlich sei, weil das besondere Kirchgeld gesetzlich geregelt sei und von den zuständigen kirchlichen Organen beschlossen sei, geht fehl. Zum Ersten wird mit dieser Behauptung wieder einmal die parallele Vorschrift zur KiESt mitsamt Vergleichsberechnung zu übergehen versucht, zum Zweiten gilt Art. 31 GG: Bundesrecht bricht Landesrecht. Offensichtlich stellt die Behörde ihr Landesrecht über das Bundesrecht, wie im Mittelalter.
5.3.2 Begründung per Falschzitat
Begründet hat der BFH diese rechtswidrige Gleichsetzung in I R 44/05 etc. nur mit seiner Rechtsprechung zur Alleinverdienerehe in I R 76/04 („Für die Einzelheiten …“).
Der BFH hatte in I R 76/04 Rn 29 das besondere Kirchgeld wegen BVerfGE 19, 268, 282 aber nur „insoweit“ für unbedenklich im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG erklärt, als es sich auf das einkommenslose Kirchenmitglied bezieht und damit für Eigenverdienst verneint – glattes Falschzitat.
5.3.3 Begründung entgegen FGO
Diese Übertragung von der Allein-auf die Beidverdienerehe ist insbesondere vor dem o.a. Hintergrund der Ungleichheit von Gesetzes wegen entgegen der FGO:
- Wenn das Urteil I R 76/04 etwas zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst gesagt hätte, läge ein Verstoß gegen § 96 FGO vor, weil dieser lt. AO anders gelagerte Sachverhalt (zwei Tatbestände etc.) nicht Gegenstand der dortigen Klage war (vgl. BFH VII R 98/85 Ziff. II).
- Wenn das Urteil I R 76/04 aber nichts zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst gesagt hat, existiert die Begründung für die Urteile I R 44/05 etc. sowie die ganzen darauf basierenden Beschlüsse nicht.
5.3.4 Willkür durch Übersehen von Vorschriften
In I B 65/19 hat der BFH erstmals eingeräumt, dass die Vergleichsberechnung für die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes bei Eigenverdienst einschlägig ist.
Der BFH hat in I R 44/05 etc. übersehen, dass das KiStG insoweit unbestimmt ist, als bei glaubensverschiedener Ehe nach § 4 Abs. 1 KiStG NRW sowohl KiESt als auch das besondere Kirchgeld „erhoben werden kann“. Er hat durchweg die Vorschriften zu KiESt übergangen und so eine nicht gegebene Bestimmtheit des KiStG pro Kirchgeld vorgetäuscht. Dies gilt bundesweit, da die KiStG etc. insoweit gleich sind.
Der BFH hat auch die Vergleichsberechnung übersehen, die allein die o.a. Unbestimmtheit auflöst. Somit hat der BFH in I R 44/05 etc. nur zu einem unzutreffenden und unzureichenden Rechtsgrund für die Heranziehung judiziert. Dies betrifft gleichermaßen die Entscheidungen des I. Senates des BFH I B 18/01, I R 44/05, I R 62/05, I R 43/06, I B 64/11, I B 82/16, I B 40/17, I B 103/17, I B 27/18, I B 28/18. Die Rechtslage zur Vergleichsberechnung ist bundesweit i.W. gleich.
Der BFH hat im Beschluss I B 65/19 eingeräumt, dass er die Vergleichsberechnung übersehen hat. Der Leitsatz zum Beschluss I B 65/19 ist nicht durch den Beschluss selbst abgedeckt und auch sonst wahrheitswidrig. Näheres nachstehend.
Damit liegt schon wegen des Übersehens von einschlägigen Vorschriften, insb. der Vergleichsberechnung als der für die Heranziehung allein maßgeblichen Eingriffsnorm, nach der Rechtsprechung des BVerfG Willkür und nach der des BFH Gesetzeswidrigkeit vor.
Der BFH hat zudem nicht die Verfassungsmäßigkeit der Vergleichsberechnung geprüft (oder gar festgestellt), wie es seine Aufgabe gewesen wäre.
Möge der I. Senat eine anderslautende Entscheidung vorlegen. Uns liegt nur der Beschluss I S 24/13 vor, lt. dem die Vergleichsberechnung die strikte Trennung zwischen KiESt und besonderem Kirchgeld nicht aufhebt, die sich aus der bekannten Vorgabe des BVerfG „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ ergibt.
5.3.5 Irrelevant
Der BFH hat nur die Verfassungsmäßigkeit des besonderen Kirchgeldes ohne Vergleichsberechnung beurteilt, auch bei Eigenverdienst.
Bei Eigenverdienst wird das besondere Kirchgeld aber von den Finanzverwaltungen aber durchweg aufgrund der Vergleichsberechnung festgesetzt.
Die Rechtsprechung des BFH betrifft diese Praxis der Finanzverwaltungen nicht und kann sie daher nicht legitimieren. Die Finanzverwaltungen können sich nicht auf die Rechtsprechung des BFH berufen.
5.3.6 Rezeption
Die Finanzbehörden stückeln dennoch aus dieser „Rechtsprechung“ des BFH ablehnende Einspruchsentscheidungen zusammen, Hauptsache sie müssen nicht gegen die Kirchen und die verbundenen politischen Kräfte entscheiden Eine Klage gegen seine Einspruchsentscheidung kostet den Finanzbeamten ja nichts, vermeidet aber unnötigen Ärger. Die Oberfinanzdirektionen koordinieren das wohl.
5.4 Die sog. Vergleichsberechnung im Faktencheck
Der Faktencheck zur Vergleichsberechnung ergibt:
Die Vergleichsberechnung kann nicht Rechtsgrundlage für die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld sein, weil ihre Verfassungsmäßigkeit nirgendwo festgestellt wurde. Die Vergleichsberechnung ist ohne Rechtsgrundlage und widerspricht allen Regeln. Kein Wunder haben die Gerichte es vermieden, sie auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
5.4.1 Die Vorschrift
Die KiStG erlauben den Kirchen die Erhebung von Steuern und sagen sodann „Die Steuern können erhoben werden als …“. In der zugehörigen Liste werden u.a. die KiESt sowie das besondere Kirchgeld aufgeführt. Wenn der kirchenangehörige Ehegatte einer glaubensverschiedenen Ehe ein eigenes Einkommen hat, ist unbestimmt, ob die KiESt, das besondere Kirchgeld oder beide festgesetzt werden dürfen. Eine additive Festsetzung von beiden Steuern wird in den KiStG durch eine Anrechnungsvorschrift ausgeschlossen.
Die verbleibende Unbestimmtheit wird mit der sog. Vergleichsberechnung aufgelöst. Diese bundesweit gleichartig angewandte Vorschrift des Landesrechts steht in leicht unterschiedlichen Formulierungen meist in den kirchlichen Bestimmungen, die aufgrund der KiStG erlassen werden, z.T. auch in ministeriellen Erlassen und manchmal auch im Gesetz selbst.
Die Bestimmung zur Vergleichsberechnung lautet zumeist:
Zwischen der Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer und dem Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe oder glaubensverschiedener Lebenspartnerschaft wird eine Vergleichsberechnung durchgeführt. Festgesetzt wird der sich hierbei ergebende höhere Betrag.
Eine Rechtsgrundlage für diese Auswahl des höheren Betrags wird nirgendwo angegeben.
5.4.2 Voraussetzungen
Die Vergleichsberechnung ist nur dann rechtmäßig und verfassungsgemäß, wenn dies auch auf das darin einbezogene besondere Kirchgeld zutrifft, und zwar nach Heranziehung und Bemessung.
Der BFH hat in seinem Beschluss I B 65/19 dargelegt (s.u.), dass die Vergleichsberechnung für das besondere Kirchgeld einschlägig ist. Die gesamte Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst (VG, OVG/VGH, FG, BFH, BVerfG) hat aber die Vergleichsberechnung übersehen bis übergangen und ist daher willkürlich (lt. BVerfG) bzw. gesetzeswidrig (lt. BFH).
D.h., es gibt keine nicht-willkürliche Rechtsprechung, die das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst gebilligt hat.
Daher wäre zunächst neu nachzuweisen, dass das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst verfassungsgemäß ist. Dagegen spricht zunächst das originale Obiter dictum, gegen das der BFH nur willkürliche und rechtswidrige Relativierungen vorbringt, sowie dass das BVerwG in VII C 48.73 Rn 33 festgestellt hat, dass die Kirchgeldtabelle mitsamt der Bemessung am gemeinsam zu versteuernden Einkommen lt. BVerfG auf das einkommenslose Kirchenmitglied beschränkt ist.
5.4.3 Verfassungsmäßigkeit fehlt
Das BVerfG verlangt:
„Insbesondere gehört zur Handlungsfreiheit auch das Grundrecht des Bürgers, NUR auf Grund solcher Rechtsvorschriften zu Steuern herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind und deshalb zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören.“ (BVerfG v. 14.12.1965 – 1 BvR 413/60, C I 1, Rn 34) (Hervorhebung nur hier)
Die Vergleichsberechnung ist nicht „formell und materiell der Verfassung gemäß“. Kein Gericht, insbesondere keine Bundesgericht, hat je die Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift zur Vergleichsberechnung geprüft oder gar festgestellt – sicher aus gutem Grund.
Insbesondere wurde nirgendwo festgestellt, dass es formell und materiell der Verfassung gemäß ist, einfach den höheren Betrag zu verlangen, nur weil er höher ist.
Deswegen darf der Bürger NICHT aufgrund der Vergleichsberechnung zu einer Steuer, also z.B. zum besonderen Kirchgeld, herangezogen werden.
Lt. BVerfG 2 BvR 591/06 ist für die „Heranziehung zur Kirchensteuer bzw. zum besonderen Kirchgeld als einer Erscheinungsform der Kirchensteuer“ die Rechtsprechung des BVerfG „insb.“ in 1 BvR 606/60 verfassungsrechtlich maßgeblich, und nicht irgendein Zahlenvergleich, den sich irgendeine Kirche zur Erlangung höherer Einnahmen ausgedacht hat.
Das BVerfG hat in 1 BvR 606/60 die Vergleichsberechnung nicht aufgeführt, also gehört sie nicht zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der kirchlichen Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe. In BVerfG 2 BvR 591/06 wurde sie übersehen.
Es liegt eine Normenkollision zwischen Bundes- und Landesrecht vor, weil Bundes- bzw. Landesrecht beim gleichen Tatbestand bzw. Sachverhalt zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Nach Art. 31 GG ist in diesem Fall das Landesrecht ohne Geltung.
Nach Art. 31 GG haben Institutionen auf Landesebene keine Normverwerfungskompetenz gegenüber dem BVerfG. Damit ist die Vergleichsberechnung mangels Verfassungsmäßigkeit schon grundsätzlich unzulässig.
5.4.4 Ohne jede Rechtsgrundlage, entgegen allen Regeln
Die Vergleichsberechnung ist willkürlich und nur durch die Geldgier der Kirchen begründet.
a) Es ist kein sachgerechter Besteuerungsgrund, einfach die höhere von zwei eigenständigen Steuern zu verlangen. Was für die kirchliche Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe sachgerecht ist, hat das BVerfG insb. in seinem Urteil 1 BvR 606/60 festgelegt. Dieses Urteil ist lt. BVerfG 2 BvR 591/06 verfassungsrechtlich maßgebend für die Heranziehung zur Kirchensteuer bzw. zum besonderen Kirchgeld als einer Erscheinungsform der Kirchensteuer.
Das BVerfG hat in 1 BvR 606/60 eine sachlich gebotene Differenzierung (vgl. 1 BvL 14/07, Ziffer II 1 a) der kirchlichen Besteuerung vorgenommen so dass Gleichheitserwägungen hier fehl gehen. Es geht hierbei um eine Differenzierung nach Einkommenskonstellation anhand des Grundsatzes der Individualbesteuerung, nicht nach Religionszugehörigkeit, so dass die Erwägungen des BVerfG zu den Differenzierungsmöglichkeiten im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 GG hier nicht greifen.
Dies wird mit der Vergleichsberechnung durch die schlichte Wahl der höheren Steuer ausgehebelt.
„Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß.“
(BVerfG, Urteil vom 23.10.1951 – 2 BvG 1/51, Ziffer 10 a)
b) Zahlenvergleich contra BVerfG
Es liegt auf der Hand, dass es nicht rechtmäßig oder gar verfassungsgemäß sein kann, dass die Art der Steuer, ihre Rechtsgrundlage, ihre Bemessungsgrundlage und ihr Steuertarif allein dadurch bestimmt werden, ob eine von zwei eigenständigen Steuern höher ist als die andere und womöglich sowieso unzulässig, und damit die gesamte einschlägige Rechtsprechung des BVerfG ad absurdum geführt wird. Da wedelt der Schwanz mit dem Hund.
Es ist nicht annähernd erkennbar, wie dieses Vorgehen dem Gebot der Folgerichtigkeit entsprechen soll: Je nach Betragshöhe werden Steuerart, Steuertarif und Bemessungsgrundlage einfach deshalb gewechselt, um höhere Steuereinnahmen für die Kirche zu erzielen.
c) Der allgemeine Finanzbedarf einer Kirche ist kein hinreichender Besteuerungsgrund: „Es versteht sich von selbst, daß der Finanzbedarf der steuerberechtigten Religionsgesellschaften allein die Besteuerung nicht rechtfertigen kann.“ (BVerfG, 1 BvR 413/60, C II 3)
Dass die KiESt bei geringem Eigenverdienst u.U. tarifbedingt sehr niedrig ist, muss die Kirche hinnehmen. Sie hätte ihre Kirchensteuer ja nicht als Annexsteuer zur staatlichen Einkommensteuer gestalten müssen. (siehe BVerfG 2 BvR 443/01 Rn 75)
d) Falschzitat vor tragenden Gründen?
Zudem stellt sich die Frage, aufgrund welcher Rechtsgrundlage denn eine gefälschte Kann-Bestimmung aus einem Obiter dictum den gegenteiligen Muss-Bestimmungen in den tragenden Gründen des gleichen verfassungsrechtlich maßgeblichen BVerfG-Urteils vorgehen soll. Denn darauf beruht die „Berechnung“ in der Vergleichsberechnung.
e) Die Vergleichsberechnung lässt sich nicht durch vergleichende Gerechtigkeitsüberlegungen rechtfertigen. Es gilt die Individualbesteuerung, so dass eine unterschiedliche Belastung bzw. Leistungsfähigkeit der Ehe kein Argument ist. Soweit die eine der beiden Steuern zu hoch erscheint, hätte die Kirche ja die Möglichkeit, sie abzusenken, wenn ihr die Gleichheitsüberlegungen so wichtig sind.
f) Nach der Vergleichsberechnung wird nur der „höhere Betrag“ festgesetzt, aber nicht eine bestimmte Steuer. Nach der AO werden aber Steuern und nicht Beträge festgesetzt, das Vorgehen widerspricht § 38 AO (Tatbestandsmäßigkeit) und § 155 ff AO (Bemessung der Steuer).
g) Die staatliche Genehmigung kann verfassungswidrige kirchliche Bestimmungen weder erlauben noch heilen (OVG Schleswig-Holstein, 2 L 11/99).
5.4.5 Weitere Willkür durch Übergehen
Die Gerichte, insb. der BFH und das BVerfG, haben in ihrer Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst konsequent die Vergleichsberechnung übersehen bzw. bei entspr. Klägervorbringen übergangen, ebenso ihren Kontext, nämlich die Vorschriften der KiStG zu KiESt bei glaubensverschiedener Ehe. Dies sicher aus gutem Grund, wie die vorstehende Mängelliste zeigt.
Nach den Maßstäben des BVerfG ist Rechtsprechung, die einschlägige Vorschriften übersehen hat, willkürlich und nach der ständigen Rechtsprechung des BFH gesetzeswidrig.
Willkürliche und gesetzeswidrige Rechtsprechung kann nicht die Festsetzung einer Steuer begründen (Verfassungsrechtliches Willkürverbot aus Art. 20 Abs. 3 GG).
5.5 Die Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH
Diese und weitere Widersprüche und Unklarheiten führen immer wieder zu Einsprüchen und Klagen bei Finanz- bzw. Verwaltungsgerichten (je nach Bundesland).
a) Zulassung der Revision
Die Finanzgerichte (FG) (und auch die Verwaltungsgerichte) weisen Klagen gegen das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst standardmäßig ab, meist unter Hinweis auf die o.a. „Rechtsprechung“ des BFH. Die Begründungen sind durchweg willkürlich, schon weil Vorschriften wie v.a. die Vergleichsberechnung übersehen bis übergangen werden.
Nach § 115 FGO steht den Klägern die Revision gegen das Urteil des FG zu (!!), und zwar dann (aber auch nur dann!), wenn einer (!!) der drei gesetzlichen Revisionsgründe des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Der BFH versucht, dies durch überhöhte und undurchsichtige Darlegungsanforderungen zu unterbinden.
Die Finanzgerichte lassen in Kirchgeldsachen routinemäßig die Revision nicht zu, und falls einmal Gründe dafür angegeben werden, sind die mehr als fadenscheinig. Daher sollte man Antrag auf Zulassung der Revision stellen und diesen sehr deutlich anhand § 115 FGO begründen.
b) Nichtzulassungsbeschwerde
In der Regel muss man aber, wenn man in die Revision gehen will, Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) beim BFH einlegen. Das Verfahren dazu ist in den §§ 115 ff. FGO geregelt.
Bei den Zulassungsgründen nach § 115 Abs. 2 FGO ist hier zunächst die Nr. 1 wichtig, die „grundsätzliche Bedeutung“. Diese liegt i.d.R. dann vor, wenn eine Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat, noch nicht geklärt ist. Die Nr. 2 beinhaltet i.W. die Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Zu diesen beiden Hauptpunkten hat die Rechtsprechung v.a. des BFH eine Reihe von Unterpunkten entwickelt, wie z.B. die Divergenz oder der schwerwiegende Rechtsfehler z.B. durch Übersehen einer Vorschrift oder objektive Willkür.
In seinen beiden letzten Nichtannahmebeschlüssen zum besonderen Kirchgeld (I B 27/18 mit I B 28/18, sowie I B 65/19) sagt der BFH in einem Leitsatz jeweils „Es ist in der Rechtsprechung geklärt …“ o.ä. Dies betrifft aber nur die obige Nr. 1 “Klärungsbedarf“. Klägervorbringen zur Nr. 2 übergeht der BFH konsequent, insb. die regelmäßig vorliegende Divergenz eines FG-Urteils zum Urteil des BVerwG VII C 48.73, das in seiner Rn 33 die Kirchgeldtabelle nur für das einkommenslose Kirchenmitglied zugelassen hat, ebenso das „Übersehen“ von Vorschriften wie z.B. der Vergleichsberechnung. Dieses Vorgehen entspricht nicht den Vorgaben des § 115 FGO.
c) BFH nimmt Revision vorweg
Der BFH pflegt in Kirchgeldsachen entgegen § 115 FGO an den Zulassungsgründen vorbei in der Hauptsache zu entscheiden und so die Revision vorwegzunehmen. Dies ist nur dann zulässig, wenn die NZB sich auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 „Grundsätzliche Bedeutung“ stützt. Dann kann der BFH einen grundsätzlichen Klärungsbedarf ggf. verneinen.
Wenn der Kläger seine NZB aber nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO z.B mit einer Divergenz, einer Willkür oder einem anderen Rechtsfehler des angefochtenen Urteils begründet hat, ist es völlig irrelevant, was der BFH irgendwann einmal irgendwo zur Rechtmäßigkeit des besonderen Kirchgeldes entschieden hat. Es geht dann nur um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Urteils, nicht um die allgemeine Rechtslage.
Nach § 115 Abs. 2 FGO geht es im Zulassungsverfahren nur darum, ob dieser Sachverhalt unter einen der gesetzlichen Zulassungsgründe zu subsumieren ist. Dies ist aber bei einer Divergenz wie z.B. der zum o.a. Urteil des BVerwG völlig eindeutig feststellbar; ebenso wenn das FG Vorschriften übersehen hat und damit Willkür vorliegt. Und dann MUSS der BFH die Revision zulassen, ihm steht hier kein Annahmeermessen zu.
d) BFH will Revision vermeiden
Um all dies schert sich der BFH in Kirchgeldsachen aber nicht, Hauptsache die Revision wird vermieden. Danach geht der I. Senat des BFH davon aus, dass das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst einer ernsthaften Betrachtung nicht standhält.
Der BFH nutzt die Vorschrift des § 116 Abs. 5 FGO extensiv, nach der eine Begründung nur in bestimmten Fällen gegeben werden muss, um sich zu übergangenen Zulassungsgründen nicht äußern zu müssen. Dies erscheint bei eindeutig feststellbaren Zulassungsgründen wie der Divergenz oder dem Übersehen von Vorschriften mehr als fragwürdig.
5.6 Der Beschluss des BFH I B 28/18 im Faktencheck
Der Faktencheck zu I B 28/18 ergibt:
Ein verworrener Beschluss aus einer Abfolge von Rechtsfehlern und Täuschungen. Mit dem Leitsatz erregt der BFH einen Irrtum zum materiellen Vorteil der Kirchen.
Streitig war ein besonderes Kirchgeld aus einem Urteil des FG München. In der Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) wurde aufgezeigt, dass die drei Urteile I R 44/05 etc., auf denen alle bisherigen Entscheidungen des BFH beruhen, unzulässig begründet sind, wie vorstehend skizziert.
Näheres im Kapitel 0. Beschluss I B 28/18: Mogelpackung vom BFH
5.6.1 Neue verfassungsrechtliche Grundlage
Der BFH konnte dem nichts entgegenhalten und hat erstmals zugegeben, dass das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst verfassungsrechtlich nicht auf seinem Urteil I R 76/04 beruht, sondern auf dem Obiter dictum im Urteil des BVerfG von 1965 1 BvR 606/60, Ziff. C II 2. Dort steht aber „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“.
5.6.2 Verworrene Umdeutung
Um den Kirchen das besondere Kirchgeld dennoch zu retten, musste der BFH also das originale Obiter dictum kräftig verbiegen. Dies erfolgte in mehreren Schritten: Aus „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ wurde „kirchensteuerfrei wegen geringem Einkommens“, daraus „geringes Einkommen“, und daraus schließlich „jedes Einkommen“ – überall sei das besondere Kirchgeld zulässig.
Der erste Veränderung widerspricht einer einschlägigen Feststellung des BVerfG zur KiESt, die anderen beruhen nur auf Wortverdrehungen und widersprechen sich untereinander. In diesem Chaos kann man sich heraussuchen, für welches Einkommen man den nun das besondere Kirchgeld gerne hätte, und die passende verfassungsrechtliche Begründung (Obiter dictum im Original oder verfälscht, oder doch lieber gleich BFH I R 76/04 per Falschzitat??) gleich mit. Aus einem Einkommen wird so kein Einkommen – das wünscht man sich bei der Einkommensteuer auch.
Diesen Unfug hat der BFH sodann per Leitsatz als „in der Rechtsprechung geklärt“ etikettiert – das zweite Märchen vom BFH.
5.7 Der Beschluss des BFH I B 65/19 im Faktencheck
In der NZB I B 65/19 wurden eine ganze Reihe von einzelnen Zulassungsgründen vorgebracht, die unabhängig waren von dem verworrenen „Verständnis“ des Obiter dictum, das der BFH im Beschluss I B 28/18 an den Tag gelegt hatte.
Insb. wurde in der NZB aufgezeigt, dass das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst wegen der Vergleichsberechnung so oder so willkürlich ist: Entweder gilt die Vergleichsberechnung, dann ist die einschlägige Rechtsprechung des BFH wegen Übersehens von Vorschriften willkürlich, oder sie gilt nicht, dann ist das Vorgehen der Finanzverwaltungen willkürlich.
Da der BFH im Beschluss I B 28/18 die Vergleichsberechnung wie immer übergangen hatte, brauchte BFH ein neues Märchen, um auch in I B 65/19 die Revision zu verhindern und den Kirchen das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst entgegen der Rechtslage zu retten.
Dieses dritte Märchen lautet:
Es ist höchstrichterlich geklärt, dass das besondere Kirchgeld auch bei Anwendung der Vergleichsberechnung verfassungsgemäß ist.
Der Faktencheck zu I B 65/19 ergibt:
Kontrafaktisch und wahrheitswidrig erfunden, und zwar vorsätzlich.
Die Bedeutung des Beschlusses I B 65/19 liegt aber v.a. darin, dass der BFH hierin eingeräumt hat, dass die Vergleichsberechnung einschlägig ist und dass er sie übersehen hat. Damit hat der I. Senat des BFH selbst bestätigt, dass seine gesamte Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst wegen Übersehens der Vergleichsberechnung willkürlich und gesetzeswidrig ist. Die Märchen sind geplatzt.
Kurzfassung zu-BFH-IB65-19
5.7.1 Unzureichende verfassungsrechtliche Begründung
Im Verfahren I B 65/19 wurde dem BFH eine entsprechende Kritik an I B 28/18 auf gut 20 Seiten sehr dezidiert vorgetragen. Zudem wurde nachgewiesen, dass der BFH in I B 28/18 ein Klägervorbringen erfunden hat. All dem konnte der BFH nichts entgegenhalten.
In seinem neueren Beschluss I B 65/19 Rn 7 hat der BFH zu I B 28/18 dann nur noch gesagt, er sei in seinem Beschluss zu einem Befangenheitsantrag im gleichen Verfahren I B 65/19 „ausführlich“ (Rn 7) auf seine verfassungsrechtliche Beurteilung in I B 28/18 eingegangen und wiederhole sie daher nicht.
Dort steht aber auf S. 4 nur auf ca. 10 Zeilen, dass die dortige Klägerin eine anderes „Verständnis“ vom Urteil des BVerfG 1 BvR 606/60 habe als er, der Senat, insb. zur Frage der Differenzierung nach Einkommenskonstellation.
Ganz schön dünn für eine „ausführliche“ Darstellung einer „verfassungsrechtlichen Beurteilung“ – das hat wohl Gründe.
Dem folgen in I B 65/19 ab Rn 8 „Ergänzungen“, die weitere Unklarheiten schaffen. Die Argumentation des BVerfG ist konsistent, der BFH muss eine Falschdarstellung mit der nächsten stützen.
5.7.2 Falschdarstellungen zum verfassungsrechtlichen Rahmen
a) BVerfG doch maßgeblich
In I B 65/19 Rn 8 behauptet der BFH, dass BVerfG habe in seinem Urteil „keine bindenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Erhebung eines besonderen Kirchgeldes entwickelt“. Das trifft nicht zu.
Das BVerfG hat im Obiter dictum von 1 BvR 606/06 Ziff. C II 2 seinen Handlungsspielraum mit zwei der tragenden Gründe aus dem Urteil (nur das Kirchenmitglied besteuern, Besteuerungsmerkmal in der Person) abgesteckt. Also gelten zumindest diese beiden tragenden Gründe für das besondere Kirchgeld. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund die anderen tragenden Gründe dies nicht tun sollten. Im Gegenteil:
Das BVerfG hat in seinem Beschluss 2 BvR 591/06, den der BFH auch gern heranzieht, gesagt, dass die für Streitfrage „Heranziehung zur Kirchensteuer bzw. zum besonderen Kirchgeld als einer Erscheinungsform der Kirchensteuer“ (Rn 3) „im Wesentlichen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen“ (Rn 5) „insb.“ im Urteil des BVerfG 1 BvR 606/60 geklärt sind, also in der Gesamtheit dieses Urteils und nicht nur in dessen Obiter dictum. Dazu auch nachstehend.
b) KiESt bei Eigenverdienst
Der BFH behauptet in Rn 9, das BVerfG habe nicht gesagt, dass bei einem eigenen Einkommen zwingend KiESt zu erheben sei. Das trifft bestenfalls oberflächlich zu, nicht aber in der Sache.
aa) Das BVerfG führt in seinem Urteil 1 BvR 606/06 Ziff. C I 1 mit C I 2 aus: Die Kirche darf nur den ihr angehörigen Ehegatten besteuern, die Steuer darf nur an Merkmale in dessen Person anknüpfen. „Wählt sie das Einkommen im Sinne des Einkommensteuerrechtes als Maßstab, dann muß es das marktwirtschaftliche Einkommen (…) des kirchenangehörigen Ehegatten sein.“
Die Kirche hat sowohl bei der KiESt als auch beim besonderen Kirchgeld mit ihrer Kirchgeldtabelle das Einkommen als Maßstab ausgewählt, also darf nur das Einkommen ihres Mitglieds der Maßstab für ihre Steuer sein.
bb) Damit ist zunächst einmal eine Besteuerung des Lebensführungsaufwandes ausgeschlossen, die ja ohnehin nur beim einkommenslosen kirchenangehörigen Ehegatten erfolgen darf.
cc) Die Kirchgeldtabelle bemisst das besondere Kirchgeld am gemeinsamen Einkommen der Ehegatten. Also darf sie bei einem Eigenverdienst nicht angewendet werden. Also bleibt für Kirchensteuer vom Einkommen nur die KiESt. Es sei denn, die Kirchgeldtabelle wird geändert und bezieht sich bei Eigenverdienst nur auf diesen Eigenverdienst, was aber Fragen zum Steuertarif aufwerfen dürfte.
5.7.3 Neue Billigkeitserwägungen
Der BFH nennt in I B 65/19 Rn 5 drei Fallgruppen (einkommenslos, Einkommen ohne ESt sowie KiESt, eigenes Einkommen mit Vergleichsberechnung). Die Erwähnung der Vergleichsberechnung ist neu gegenüber seiner bisherigen Rechtsprechung.
In I B 28/18 Rn 13 hatte der BFH gesagt, es liege auf der Hand und bedürfe keiner Begründung, das die Billigkeitserwägungen aus dem Obiter dictum auch für den Fall gälten, dass der kirchenangehörige Ehegatte „kirchensteuerfrei bliebe“. Dies hatte er sodann umgedeutet in „geringes“ Einkommen mit KiESt, was ihm in der NZB I B 65/19 als unzulässige Umdeutung entgegen BVerfG vorgeworfen wurde.
In I B 65/19 liegt dem BFH nun noch mehr auf der Hand. In Rn 11 führt der BFH zur dritten Fallgruppe (Eigenverdienst mit KiESt und Vergleichsberechnung) aus, es liege auf der Hand, dass die Billigkeitserwägungen aus dem Obiter dictum in BVerfG 1 BvR 606/60 auch für einen „niedrigen“ Eigenverdienst gälten, auf den nur eine geringfügige Kirchensteuer zu entrichten sei. Denn auch hier müsste der kirchenangehörige Ehegatte sich kaum an der Finanzierung der kirchlichen Gemeinschaftsaufgaben beteiligen.
Es liegt auf der Hand, dass die beiden Darstellungen sich widersprechen, weil die erste die zweite ausschließt
Diese o.a. kirchliche Argumentation ist bei Eigenverdienst natürlich entgegen jeder einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG, was schon in der NZB I B 28/18 vorgetragen worden war. Zur Begründung beruft sich der BFH in I B 65/19 also lieber nur auf ein FG-Urteil aus dem gut katholischen Köln (11 K 1389/03). Dieses verbreitet (neben weiteren Falschzitaten) in seiner Rn 27 aber nur eine kirchliche Wandersage entgegen BVerfG.
Man kann bei glaubensverschiedener Ehe die Kirchensteuer nicht mit der Ehe als Gemeinschaft etc. pp. begründen; „das Steuerverhältnis ist ein individuelles.“ Siehe dazu vorstehend im Abschnitt „Individualbesteuerung vs. Ehe-Besteuerung“.
5.7.4 Besonderes Kirchgeld nur noch bis ca. 12.000 € Eigenverdienst
Von seiner verworrenen Ausweitung des Obiter dictum von Null auf Alles in I B 28/18 rückt der Senat in I B 65/19 ein wenig ab, erzeugt aber neues Chaos.
a) In I B 65/19 Rn 11 wird das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst wie gesagt nur noch für den Fall eines „niedrigen“ Einkommens mit einer „geringfügigen“ KiESt begründet, das liege auf der Hand. Damit sagt der BFH, dass bei Eigenverdienst das Kirchgeld nur noch bei „niedrigem“ eigenem Einkommen erhoben werden darf. Demnach darf auch die Kirchgeldtabelle nur bei einem „niedrigen“ Eigenverdienst angewendet werden.
b) Der BFH hat nicht definiert, was ein „niedriges“ Einkommen oder wie hoch eine „geringfügige“ KiESt ist.
Es liegt nahe, nach § 156 AO hier bei der KiESt den Betrag von 25 € anzusetzen. Dies entspricht einer ESt von ca. 310 € bzw. einem Eigenverdienst von knapp 12.000 € (Grundtabelle). Diese Größenordnung passt dazu, dass zwischen 450 und 1300 € p.m. nur reduzierte Sozialbeiträge bezahlt werden müssen, ebenso zur Armutsschwelle: „Bei einem Medianeinkommen von 22.713 Euro im Jahr 2018 lag der Schwellenwert für die Armutsgefährdung demnach bei 628 Euro.“ (DeStatis, Datenreport 2021, Kap. 6, S. 224)
c) Der BFH hat mit seiner unsubstantiierten Darlegung neuen Klärungsbedarf geschaffen, nicht nur in Bezug auf Bestimmtheit.
Es liegt auf der Hand und kann beliebig genau begründet werden, dass auch diese neue „Klärung“ der originalen Rechtsprechung von BVerfG und BVerwG widerspricht. Seine eigene einschlägige Rechtsprechung hat der BFH ja selbst als willkürlich eingeordnet, dazu nachstehend.
Und wenn diese dennoch gelten sollte, besteht ein neuer Widerspruch: Gilt die genannte neue Einkommensgrenze „gering“, oder gilt sie nicht? Der BFH widerspricht sich hierzu bereits innerhalb des Beschlusses I B 65/19, indem er sich im Absatz vorher auf seine Entscheidungen I R 64/05 und I B 98/09 beruft (Rn 10), die eine solche Einkommensgrenze nicht kennen. Wir bleiben höflich und nennen dies evident mangelnde Sorgfalt.
5.7.5 Zwickmühle und nicht erwogene Argumente
a) Zwickmühle Vergleichsberechnung
Die Klägerin hatte in ihrer NZB I B 65/19 (insb. in Abschnitt 2.6.3), dem BFH nachgewiesen, dass er nirgendwo in seiner Rechtsprechung (außer in I S 24/13) die Vergleichsberechnung beachtet hat, aufgrund derer das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst von den Finanzverwaltungen festgesetzt wird.
Damit bestehe folgende Zwickmühle:
- Entweder ist Vergleichsberechnung tatsächlich die Rechtsgrundlage für die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes bei Eigenverdienst.
Dann ist die Rechtsprechung des BFH willkürlich und gesetzeswidrig, weil der BFH eine einschlägige Vorschrift übersehen hat. Gleiches gilt für die einschlägige Rechtsprechung der unteren Gerichte und des BVerfG.
Die Behörden, Kirchen und Gerichte können sich wegen des verfassungsrechtlichen Willkürverbots nicht auf diese Rechtsprechung berufen. - Oder die Vergleichsberechnung ist keine Rechtsgrundlage für die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes. Dann ist zwar die Rechtsprechung des BFH diesbzgl. korrekt, aber das besondere Kirchgeld darf nicht aufgrund der Vergleichsberechnung festgesetzt werden.
Zudem ist dann auch der Grundsatz der Bestimmtheit von steuerlichen Vorschriften verletzt, das Vorgehen der Finanzverwaltungen ist willkürlich und damit verfassungswidrig, und der BFH hat das gebilligt.
Damit sei der Zulassungsgrund des Klärungsbedarfs nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gegeben.
b) Nicht erwogene Rechtsfragen
Die Klägerin hat in ihrer NZB I B 65/19 des Weiteren u.a. den Zulassungsgrund der „bisher nicht erwogenen Rechtsfragen“ geltend gemacht (Revision zur Rechtsfortbildung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).
Anders als bei anderen Zulassungsgründen hat der BFH hierzu ausnahmsweise positiv und imperativ festgelegt, dass die Revision zuzulassen ist, wenn gegen die bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung Argumente vorgetragen werden, die der BFH bisher nicht erwogen hat. Ein Argument ist nach der Rechtsprechung des BFH dann erwogen, wenn über die betreffende Rechtsfrage bereits entschieden worden ist.
Die Klägerin hat dazu insb. zur Vergleichsberechnung eine Reihe von bisher nicht erwogenen bzw. nicht entschiedenen Rechtsfragen angeführt: Konkurrenz von KiESt und besonderem Kirchgeld, Willkür wegen Übersehens der Vergleichsberechnung, Vergleichsberechnung ohne Rechtsgrund, Zahlenvergleich contra BVerfG-Rechtsprechung, keine Normverwerfungskompetenz gegenüber BVerfG, unzulässige Voraussetzungen und Konsequenzen der Vergleichsberechnung.
Der BFH hat im Beschluss I B 65/19 keine einzige dieser Rechtsfragen entschieden (was dort auch gar nicht seine Aufgabe ist), also sind sie nach wie vor nicht erwogen. Der I. Senat des BFH hat wieder mal einen eindeutigen Zulassungsgrund ohne Begründung übergangen.
5.7.6 Vorschriften zur Vergleichsberechnung sind einschlägig
Der I. Senat hat in I B 65/19 mit seinen Feststellungen „aufgrund“ (Rn 10), „in Folge“ (Rn 5), „unter Anwendung“ (Rn 14), „in Folge der Anwendung“ (Leitsatz) der Vergleichsberechnung eingeräumt und festgestellt, dass Vorschriften zur Vergleichsberechnung für die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld in der Sachverhaltskonstellation eines Eigenverdienstes des kirchenangehörigen Ehegatten einschlägig sind.
Dies ergibt sich auch aus seinen Behauptungen zur „verfassungsrechtlichen Würdigung“ und zu seinen früheren Entscheidungen, auch wenn diese in der Sache unwahr sind.
5.7.7 „Verfassungsrechtliche Würdigung“: Übersehen einschlägiger Vorschriften eingeräumt
Aufgrund der o.a. Zwickmühle zur Vergleichsberechnung und weil sein Beschluss I B 28/18 dazu nichts sagt und auch sonst nichts taugt, sah der I. Senat des BFH sich wohl zu einer Äußerung zur Vergleichsberechnung genötigt.
Also erweckt er im Beschluss I B 65/19 mit genau austarierten ungenauen Äußerungen den irrtümlichen Eindruck, er habe ordentlich zur Vergleichsberechnung judiziert, ohne dies aber explizit zu behaupten – denn das wäre ja nachweislich und nachprüfbar wahrheitswidrig.
Bei näherem Hinsehen besagen die entsprechenden Passagen des Beschlusses anderes:
Der I. Senat des BFH räumt ein und stellt fest, dass er, der I. Senat des BFH, die Vorschriften zur Vergleichsberechnung in seiner Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst durchweg nicht beachtet, sondern vielmehr übersehen hat.
Im Einzelnen:
a) „Verfassungsrechtliche Würdigung der Vergleichsberechnung“
Der BFH behauptet in seinem Nichtannahmebeschluss I B 65/19 Rn 10 Satz 1 zur Vergleichsberechnung in seiner sehr präzisen Formulierung:
„Eine eigenständige verfassungsrechtliche Würdigung der später eingeführten und vollzogenen landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für die Erhebung eines besonderen Kirchgeldes hat –neben dem BVerwG (z.B. BVerwG-Urteil In BVerwGE 52, 104) – der Senat in einer Vielzahl von Entscheidungen vorgenommen.“
Nach Satz 2 und 3 dieser Rn 10 bezieht sich diese „eigenständige verfassungsrechtliche Würdigung“ auch auf die Vergleichsberechnung („Dabei hat er ….“, „Dies trifft insbesondere ….“ ).
aa) Damit beansprucht der Senat im Hinblick auf das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst eine Vollständigkeit der „verfassungsrechtlichen Würdigung“, die die Vergleichsberechnung mit einschließt. Wenn er das nicht täte, hätte er von vornherein ein Übersehen der Vergleichsberechnung eingeräumt.
bb) Auffallend ist dabei der Terminus der „landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen“. Diesen hat der BFH in seiner Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bisher nur in seinem Urteil I R 76/04 Rn 28 verwendet, unter Hinweis auf BVerfGE 73, 388, 401. Gegenstand dieses Urteils des BVerfG 2 BvL 7/84 wiederum war, dass unvollständige landesgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen von den Kirchen ergänzt werden dürfen, um die notwendige Bestimmtheit herzustellen. Dem Senat dürfte in seinem Beschluss I B 65/19 demnach bewusst gewesen sein, dass die „landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen“ unvollständig sind bzw. sein können.
b) Die o.a. Darstellung des Senats ist in mehrfacher Hinsicht wahrheitswidrig.
Insbesondere hat der Senat nirgendwo in seiner Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst die Vergleichsberechnung verfassungsrechtlich „gewürdigt“; er hat sie vielmehr aus seiner Rechtsprechung durchweg ausgeschlossen bzw. sie „übersehen“ (s.o.).
Dies räumt der I. Senat hier in I B 65/19 mehrfach ein, wenn auch verklausuliert:
- Die o.a. „eigenständige verfassungsrechtliche Würdigung“ bezog sich lt. der o.a. Darstellung des I. Senates nur auf die „landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für die Erhebung eines besonderen Kirchgeldes“.
Der I. Senat sagt hier, dass er nur die gesetzlichen Bestimmungen für das besondere Kirchgeld betrachtet hat und die landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für die bei Eigenverdienst gleichermaßen mögliche KiESt nicht beachtet hat. Dieses „nur“ ergibt sich aus dem Hinweis, dass die „landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen“ zum besonderen Kirchgeld „später eingeführt“ wurden als die zur KiESt.
Der Senat hat damit die Vergleichsberechnung explizit aus seiner „verfassungsrechtlichen Würdigung“ ausgeschlossen: Ohne KiESt keine Vergleichsberechnung. Damit räumt der I. Senat ein, dass er bei seiner „verfassungsrechtliche Würdigung“ einschlägige Vorschriften übersehen hat, weil bei Eigenverdienst nach den KiStG auch KiESt erhoben werden kann, wie er in I B 65/19 selbst mehrfach vermerkt hat. Dies muss aber wegen des KiStG nach § 38 AO beachtet werden (s.o.).
Der Senat hat somit entgegen dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit eine nicht vorhandene Bestimmtheit des Landesrechts vorgetäuscht.
Schon damit ist diese angebliche „verfassungsrechtliche Würdigung“ wertlos und willkürlich. - Die Vergleichsberechnung gehört nicht zu den „landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen“ für die Kirchen, sondern ist eine Eingriffsnorm gegenüber dem Steuerpflichtigen, die in den vom BFH verhandelten Fällen zum untergesetzlichen Recht gehört. Der Senat sagt mit seiner o.a. Darstellung daher in Wirklichkeit explizit, dass er die Vergleichsberechnung als untergesetzliches Recht gerade nicht verfassungsrechtlich gewürdigt hat.
- Die angebliche „eigenständige verfassungsrechtliche Würdigung“ des I. Senates „in einer Vielzahl von Entscheidungen“ existiert genau genommen nur in einem einzigen Urteil (er nennt I R 64/05), die anderen beiden hierzu einschlägigen Urteile (I R 44/05, I R 62/05) sind dazu nahezu wortgleich. Die dem nachfolgenden Entscheidungen des BFH (I B 43/06 bis I B 28/18) sind Beschlüsse ohne eigene verfassungsrechtliche Betrachtung, die hierzu nur auf diese Urteile verweisen.
Der I. Senat war bisher nicht in der Lage, andere Entscheidungen zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst vorzulegen, die nicht auf I R 64/05 etc. aufbauen. - „Der Senat“ hat in diesen drei Urteilen I R 44/05 etc. immer nur die „genannten“ Bestimmungen für verfassungsgemäß erklärt, und da gehört nirgendwo die Vergleichsberechnung dazu, denn die wurde dort nicht erwähnt oder genannt und wurde somit „übersehen“.
Der I. Senat räumt daher auch mit dem Hinweis auf die „Vielzahl seiner Entscheidungen“ ein, dass er keine „verfassungsrechtliche Würdigung“ der Vergleichsberechnung vorgenommen hat, weil er sie nicht „genannt“ hat. - In diesen o.a. Urteilen I R 44/05 etc. hat „der Senat“ das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst verfassungsrechtlich allein mit einem Verweis auf sein Urteil zur Alleinverdienerehe I R 76/04 begründet, in dem die Vergleichsberechnung keine Rolle spielt, nicht erforderlich ist und auch nicht vorkommt.
Auch deshalb beinhalten die Urteile I R 44/05 etc. keine „verfassungsrechtliche Würdigung“ der Vergleichsberechnung.
(Siehe dazu auch vorstehend zu den einschlägigen Urteilen des BFH.)
c) Täuschung zu BVerwG VII C 48.73
Auch der Hinweis des BFH eingangs der Rn 10 auf das BVerwG täuscht über die Rechtslage:
Das BVerwG hat sich in BVerwGE 52, 104 (= VII C 48.73) nicht zur Vergleichsberechnung geäußert (der Begriff kommt dort nicht vor), da es dort um die Sachverhaltskonstellation der Alleinverdienerehe ging, bei der keine KiESt anfällt. Das BVerwG hat dort in Rn 33 vielmehr die Kirchgeldtabelle mit ihrer Bemessungsgrundlage „gemeinsam zu versteuerndes Einkommen“ auf das einkommenslose Kirchenmitglied eingeschränkt, was die Erfordernis und die Anwendung der Vergleichsberechnung ausschließt.
Kurz: Der I. Senat räumt in I B 65/19 direkt und indirekt ein, dass er die Vorschriften zur Vergleichsberechnung permanent übersehen hat und dass es dazu keine „verfassungsrechtliche Würdigung“ gibt.
5.7.8 Entscheidungen ohne Vergleichsberechnung
Auch aus den nachfolgenden Sätzen ergibt sich nichts anderes.
a) Täuschung über frühere Entscheidungen
Der Senat sagt in I B 65/19 Rn 10 Satz 2 und 3 (ähnlich in Rn 5) sodann weiter:
„Dabei hat er die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld in allen drei eingangs erwähnten Sachverhaltskonstellationen gebilligt. Dies trifft insbesondere auch auf die dritte Fallgruppe zu, in der es aufgrund der sog. Vergleichsberechnung (…) zu einer Festsetzung des besonderen Kirchgeldes gekommen ist.“ (Absatz und Hervorhebung nur hier)
Der Senat sagt damit nur, dass er das besondere Kirchgeld bei Vergleichsberechnung gebilligt hat. Er behauptet aber nicht, dass er bei dieser Entscheidung die Vorschriften zur Vergleichsberechnung beachtet oder gar für verfassungsgemäß erklärt hat.
Im vorangehenden Satz 1 dieser Rn 10 hat der I. Senat hat wie vorstehend nachgewiesen eingeräumt, dass er in seinen „verfassungsrechtlichen Würdigungen“ die Vergleichsberechnung übersehen bis übergangen hat.
Dieses Eingeständnis bezieht sich (ausweislich „dabei“, „Dies betrifft insbesondere auch“) auch auf Entscheidungen zur dritten „Fallgruppe (…), in der es aufgrund der sog. Vergleichsberechnung (…) zu einer Festsetzung des besonderen Kirchgeldes gekommen ist.“
Damit sind Satz 2 und 3 so aufzufassen, dass der Senat das besondere Kirchgeld auch in dieser dritten Fallgruppe gebilligt hat, ohne die einschlägigen Vorschriften zur Vergleichsberechnung zu beachten.
Dies entspricht den Tatsachen:
b) Vergleichsberechnung nachweislich übersehen
Tatsächlich hat der BFH die Vergleichsberechnung in allen seinen Entscheidungen zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst durchweg ungeachtet der jeweiligen „Sachverhaltskonstellation“ übersehen bzw. bei entsprechendem Klägervorbringen auch übergangen. Dies gilt insb. für die drei Urteile I R 44/05 etc., in denen die Vergleichsberechnung nachprüfbar nicht zu den „genannten Bestimmungen“ gehörte, und gleichermaßen für die darauf aufbauenden Beschlüsse wie z.B. I B 98/09. Dies ist mittels des Wahrheitsbeweises durch Nachlesen dieser Entscheidungen objektiv nachprüfbar und nirgendwo widerlegt.
c) BFH ohne Gegenargumente
Entsprechenden Klägervorbringen konnte und kann der I. Senat des BFH angesichts seiner vorliegenden Entscheidungen nichts entgegenhalten, er muss in diffuse Ausreden flüchten. Mit dieser seiner o.a. irreführenden Darstellung räumt der I. Senat jedoch versteckt ein, dass er in seinen Entscheidungen die Vergleichsberechnung übersehen hat. Es bleibt ihm ja angesichts der Beweislage auch nichts anderes übrig.
Es ist immer das gleiche Muster: Wenn der I. Senat des BFH sich darauf beruft, dass er etwas entschieden hat, heißt das noch lange nicht, dass er dabei nach Gesetz und Recht entschieden hat. Das anzunehmen wäre naiv. In Kirchgeldsachen ist nach den vorliegenden Entscheidungen eher das Gegenteil der Fall (Näheres dazu vorstehend).
f) Soweit der I. Senat im Beschluss I B 65/19 Rn 10 den Beschluss des BVerfG 2 BvR 591/06 erwähnt, besagt das in Bezug auf die Vergleichsberechnung gar nichts. Denn das BVerfG hat darin genauso wie der BFH die lokalen Vorschriften zur KiESt sowie zur Vergleichsberechnung übersehen. Näheres nachstehend.
5.7.9 Willkür eingeräumt
Der I. Senat des BFH hat wie gesagt in seinem Beschluss I B 65/19 eingeräumt, dass seine bisherige Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst einschlägige Vorschriften insb. zur Vergleichsberechnung übersehen hat. Damit ist diese Rechtsprechung willkürlich bzw. gesetzeswidrig.
a) Eingeräumt: Vergleichsberechnung einschlägig
Der BFH hat im Beschluss I B 65/19 erstmals eingeräumt, dass die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst „aufgrund“, „in Folge“ oder „in Anwendung“ der Vergleichsberechnung vorgenommen wird und dass er derartige Fälle entschieden hat (s.o.).
Damit hat der BFH festgestellt, dass die Vergleichsberechnung und damit die zugehörigen Vorschriften beim besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst einschlägig ist/sind.
b) Eingeräumt: Vergleichsberechnung übersehen
Der I. Senat des BFH hat im Beschluss I B 65/19 eingeräumt, dass er in seinen „verfassungsrechtlichen Würdigungen“ zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst unter Anwendung der Vergleichsberechnung und damit auch in seinen entsprechenden Entscheidungen die Vorschriften zu Vergleichsberechnung übersehen hat (s.o.)
Dies entspricht den nachprüfbaren Tatsachen in den entsprechenden Entscheidungstexten. In allen diesen Fällen, insb. in den beiden vom BFH genannten Verfahren I R 64/05 und I B 98/09, wird die Vergleichsberechnung nicht erwähnt. Sie wurde genauso übersehen wie die Vorschriften zur KiESt bei glaubensverschiedener Ehe, auf denen ja die Konkurrenz von KiESt und besonderem Kirchgeld beruht. Die Vergleichsberechnung wurde auch nicht verfassungsrechtlich beurteilt, da sie nicht zu den „genannten Bestimmungen“ gehörte.
Damit ist nach Wortlaut und Kontext eindeutig, dass der BFH in allen diesen Verfahren (I B 18/01, I R 44/05 bis I B 28/18) die Vergleichsberechnung übersehen hat, und dass ihm dies bekannt ist. Letzteres ergibt sich zudem aus der ständigen Rechtsprechung des BFH zu Anhörungsrügen, lt. derer er Klägervorbringen zur Kenntnis nimmt. Diese Kenntnis muss er sich zurechnen lassen.
c) Eingeräumt: Willkür durch Übersehen einer einschlägigen Vorschrift
Der BFH hat somit im Beschluss I B 65/19 eingeräumt, dass seine Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst wegen des Übersehens von einschlägigen Vorschriften willkürlich bzw. gesetzeswidrig ist.
aa) Nach den Maßstäben des BVerfG ist Rechtsprechung, die einschlägige Vorschriften übersehen hat, willkürlich
„Willkür ist vielmehr in einem objektiven Sinne zu verstehen. Es muss sich um eine krasse Fehlentscheidung oder um einen besonders schweren Rechtsanwendungsfehler wie die Nichtberücksichtigung einer offensichtlich einschlägigen Norm oder die krasse Missdeutung des Inhalts einer Norm handeln.“
BVerfG 29.06.2015 – 2 BvR 2048/12, Ziff. IV 1, m.w.N.; ebenso: BVerfG 03.11.1992 – 1 BvR 1243/88, Ziff. B II 2 a); m.w.N. (Hervorhebung nur hier)
Die o.a. Rechtsprechung des BFH verstößt somit gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot aus Art. 20 Abs. 3 GG; s. z.B. BVerfGE 69, 161 (169); 86, 148 (250).
bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist eine solche Rechtsprechung gesetzeswidrig (s. z.B. BFH v. 09.02.2017 – VI B 58/16, Ziff. 1 a) ; BFH v. 15.2.2012, IV B 126/10, Ziff. 1 a); BFH v. 11.3.2011, V B 45/10, Ziff. 1 a), BFH vom 18.08.2010 – X B 178/09, Ziff. 1a), BFH v. 06.02.2014 – II B 129/13, Ziff. 3 a), BFH 28.07.2003 – V B 72/02, Ziff. II 2. – Ebenso: Schwarz/Pahlke zu § 116 FGO, Rz. 39 zur Revisionszulassung wg. schwerwiegender unzutreffender Rechtsanwendung.)
cc) Willkürliche und gesetzeswidrige Rechtsprechung kann nicht die Festsetzung einer Steuer begründen.
d) BVerfG dürfen Steuern NUR aufgrund solcher Bestimmungen erhoben werden dürfen, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (BVerfG v. 14.12.1965 – 1 BvR 413/60, C I 1, Rn 34). Daran fehlt es bei der Vergleichsberechnung, daran ändert auch der wahrheitswidrige Leitsatz des BFH zum Beschluss I B 65/19 nichts.
5.7.10 Neues Märchen im Leitsatz
Der Leitsatz ist nur eine wahrheitswidrige Propaganda entgegen dem Inhalt des Beschlusses.
Der BFH hat seinem Beschluss I B 65/19 einen pauschalen Leitsatz vorangestellt, der zwar rechtlich ohne jede Bedeutung ist, aber die Öffentlichkeit über den Stand der Rechtsprechung „informieren“ soll:
„Es ist höchstrichterlich geklärt, dass die Erhebung des besonderen Kirchgelds nicht gegen die Verfassung verstößt.
Dies gilt insbesondere auch für die Sachverhaltskonstellationen, in der eine kirchenangehöriger Ehegatte mit eigenen Einkünften in Folge der Anwendung der sog. Vergleichsberechnung zum besonderen Kirchgeld und nicht zu Kircheneinkommensteuer herangezogen wird.“ (Absatz und Hervorhebung nur hier)
Das ist das dritte Märchen vom BFH. Es erinnert sehr an die Geschichte von des Kaisers neuen Kleidern: Es ist nichts da.
a) Der Leitsatz behauptet eine vollumfängliche höchstrichterliche Klärung der Verfassungsmäßigkeit des besonderen Kirchgeldes, auch bei Anwendung der Vergleichsberechnung.
Dies entspricht nicht der Wahrheit und ist nicht einmal durch den Beschluss I B 65/19 selbst abgedeckt.
Es gibt keine höchstrichterliche Klärung zum besonderen Kirchgeld per Vergleichsberechnung.
Im Einzelnen:
b) Falschbehauptung
Schon der erste Satz des Leitsatzes ist in dieser Absolutheit falsch, denn eine solche Klärung gibt es nur für den Fall der Alleinverdienerehe, alles andere beruht auf Falschzitaten usw. usf., wie insb. in BFH I R 44/05 ff. (s.o.) und BVerfG 2 BvR 591/06 (dazu nachstehend). Der I. Senat des BFH hat keine einzige solche Entscheidung konkret vorgelegt oder genannt.
aa) Der BFH hat in I B 65/19 eingeräumt, dass die Vergleichsberechnung bei einem Eigenverdienst einschlägig ist (s.o.). Er hat weiter eingeräumt, dass er in seiner Rechtsprechung die Vergleichsberechnung übersehen hat (s.o.). Damit ist seine einschlägige Rechtsprechung in den Entscheidungen I R 44/05 ff. wegen des Übersehens von Vorschriften willkürlich.
bb) Gleiches gilt für den Beschluss des BVerfG 2 BvR 591/06. Entsprechenden Klägervorbringen im Verfahren I B 65/19 konnte der BFH nur eine dumme Bemerkung entgegen halten. Dazu nachstehend.
cc) Zudem besteht eine Divergenz zwischen der einschlägigen Rechtsprechung von BFH und BVerfG einerseits und der des BVerwG andererseits, die der BFH in seinen Nichtannahmebeschlüssen regelmäßig unter den Teppich kehrt.
c) Nicht nachprüfbar
„Dies gilt“ ist nur eine Behauptung, die sich mangels Begründung der Nachprüfung entzieht und somit willkürlich ist.
Für eine entsprechende Begründung von „dies gilt …“ müssten höchstrichterliche Entscheidungen zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst vorliegen, in denen geklärt wurde, dass die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld in Folge der Anwendung der Vergleichsberechnung verfassungsgemäß ist.
Dies erfordert auch, dass die Vorschrift zur Vergleichsberechnung als verfassungsgemäß bestätigt worden war. Es müssten also Rechtssätze von Bundesgerichten der Art vorliegen, dass die Verfassungsmäßigkeit dieser Vergleichsberechnung geprüft worden ist und dass keine Bedenken im Hinblick auf Art X, Y und Z des Grundgesetzes bestehen.
d) Beides trifft nicht zu und ist im Beschluss selbst widerlegt.
aa) Es gibt keine einzige höchstrichterliche Entscheidung, in der die Verfassungsmäßigkeit der Erhebung des besonderen Kirchgeldes per Vergleichsberechnung behandelt oder gar geklärt worden wäre. Die Vergleichsberechnung wurde in allen einschlägigen Entscheidungen (BFH I B 18/01, I R 44/05 bis I B 65/19; BVerfG 2 BvR 591/06) höchstrichterlich konsequent übersehen bis übergangen. Dies beweisen die Entscheidungstexte.
bb) Der I. Senat des BFH hat dies in seinem Beschluss I B 65/19 für seine eigene Rechtsprechung eingeräumt (s.o.). Das Verfahren VII C 48.73 beim BVerwG betraf die Alleinverdienerehe, die Vergleichsberechnung war irrelevant. Im Beschluss des BVerfG 2 BvR 591/06 wurde die Vergleichsberechnung ebenfalls übersehen (dazu nachstehend).
cc) Es gibt keine einzige Entscheidung, in der die Verfassungsmäßigkeit der Vergleichsberechnung geprüft oder gar festgestellt worden wäre. Es wurde im Gegenteil konsequent die Existenz der parallelen Option zur KiESt ausgeblendet („übersehen“), um das „Kann“ der Kirchgeld-Bestimmungen in ein „Muss“ zu verwandeln.
dd) Möge der I. Senat des BFH nicht unsubstantiiert falsches Zeug erzählen, sondern eine derartige Entscheidung mit genauen Fundstellen konkret vorlegen.
Der BFH kennt aber die diesbzgl. Klägervorbringen und weiß aber sehr genau, dass dies nicht möglich ist, wie man an seiner haarscharf danebenliegenden Darstellung im Beschluss I B 65/19 sieht (s.o.).
e) Widerspruch innerhalb des Beschlusses
In I B 65/19 Rn 11 wird das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst nur noch für den Fall eines „niedrigen“ Einkommens mit einer „geringfügigen“ KiESt begründet, nicht aber für jede Höhe des Eigenverdienstes.
Damit gibt es vom BFH nur eine „höchstrichterliche“ Klärung zum besonderen Kirchgeld bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe, nicht aber umfassend, weil alle anderen einschlägigen Entscheidungen wegen Übersehens von Vorschriften willkürlich sind.
Der BFH hat damit seinen eigenen Leitsatz widerlegt.
Dass diese neue Einkommensgrenze selbst wiederum mehr als fragwürdig ist, unterhöhlt den o.a. Leitsatz nochmals. Zudem entscheidet ein Beschluss zu einer NZB nach § 116 Abs. 1 u. 5 FGO nur über die Zulassung der Revision, nicht aber über die Sachfragen des angefochtenen Urteils. Die Revision ist separat zu begründen (§ 129 FGO).
f) Die Falschdarstellung im Leitsatz ist kein Versehen, sondern erfolgte bewusst
aa) Der BFH beruft sich in ständiger Rechtsprechung zu Anhörungsrügen darauf, dass er alle Vorbringen der Kläger zur Kenntnis nimmt, auch wenn er sich dazu nicht äußert. Diese Kenntnis muss sich der Kläger nach dieser Rechtsprechung des BFH zurechnen lassen. Also muss sich auch der Senat diese seine Kenntnis der Klägervorbringen zurechnen lassen, denn er ist ja derjenige, der sich auf diese Kenntnis beruft.
bb) Zumindest in den NZBs I B 103/17, I B 28/18 sowie I B 65/19 wurde ausführlich dazu vorgetragen, dass der I. Senat des BFH in seinen Entscheidungen zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst die Vergleichsberechnung, ihren gesetzlichen Kontext sowie die zugehörigen untergesetzlichen Vorschriften übersehen hat. Der I. Senat muss sich die Kenntnis dieser Vorbringen zurechnen lassen.
cc) Der I. Senat hat die dort vorgetragenen Sachverhalte (Vorschriften übersehen etc.) nirgendwo bestritten oder gar widerlegt. Im Beschluss I B 65/19 hat er das Übersehen der Vorschriften zur Vergleichsberechnung wie dargelegt sogar bestätigt.
g) Die o.a. Behauptungen des BFH in I B 65/19 zu einer angeblichen höchstrichterlichen verfassungsrechtlichen Klärung zur Vergleichsberechnung sind daher als Erregung eines Irrtums durch Vorspiegelung falscher bzw. durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen zum materiellen Vorteil der Kirche über die Tatsache zu werten, dass der BFH in seiner Rechtsprechung zum besonderen Kirchgeld bei Eigenverdienst die Vergleichsberechnung durchweg „übersehen“ und sie nirgendwo in seine Entscheidungsbegründungen einbezogen hat, sondern sie vielmehr aktiv aus seinen Entscheidungsbegründungen ausgeschlossen hat.
Das hat Tradition: Der Leitsatz zu I B 28/18 ist genauso wahrheitswidrig erfunden.
h) Daraus also besteht „höchstrichterliche Klärung“ lt. dem Leitsatz zum Beschluss I B 65/19 sowie die „eigenständige verfassungsrechtliche Würdigung“, die der BFH im Beschluss anführt:
- Tatbestandsmäßigkeit missachtet
- Bestimmtheit vorgetäuscht
- einschlägige Vorschriften übersehen und somit willkürlich,
- verfassungsrechtliche Beurteilung der Vergleichsberechnung vorgetäuscht,
- Falschzitat dazu,
- Einkommensgrenze erfunden,
- Verstoß gegen § 96 FGO und § 38 AO,
- Divergenz übergangen,
- Widersprüche
und das Ganze im Leitsatz dann wissentlich als das Gegenteil davon verkauft.
Pfui Deibel.
Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein Bundesgericht sich für so etwas hergibt, zum Vorteil von Institutionen, die die Missbrauchs-Kriminalität in ihren eigenen Reihen nur auf äußeren Druck angehen und sich mit Entschädigungszahlungen schwertun, die einen Bruchteil der jährlichen Mehreinnahmen aus dem besonderen Kirchgeld betragen.
Download: Stichworte für Stellungnahme T2_Zu_BFH IB65-19
5.8 Zulassung entgegen dem Gesetz verweigert
Der I. Senat des BFH hat in den Verfahren I B 103/17, I B 28/18 und I B 65/19 die Revision entgegen dem Gesetz nicht zugelassen.
Der I. Senat des BFH hat sein Ermessen überdehnt und unabstreitbar vorliegende Zulassungsgründe ignoriert.
5.8.1 Kein Annahmeermessen
Nach § 115 Abs. 2 FGO kommt es allein auf das Vorliegen der gesetzlichen Zulassungsgründe an.
a) 115 FGO besagt:
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
„(2) Die Revision ist … zuzulassen, wenn …“ (Hervorhebungen nur hier)
Dies ist ein Imperativ, der ein Ermessen des Gerichts ausschließt. Das hier weggelassene Adverb „nur“ zeigt lediglich an, dass die Aufzählung der Zulassungsgründe im Gesetz abschließend ist.
b) Es besteht kein Annahmeermessen
aa) Das Schrifttum ist sich einig, dass das Gericht nach § 115 Abs. 2 FGO keinen Ermessensspielraum hat, sofern auch nur einer der gesetzlichen Zulassungsgründe vorliegt.
D.h., für die Abweisung der NZB reicht es nicht aus, wenn der BFH einfach nur irgend eines der Klägervorbringen widerlegt oder abweist.
bb) Ein Ermessen des Gerichts besteht nur insoweit, als es zu prüfen hat, ob Bestandteile eines Urteils unter einen der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO zu subsumieren sind und somit einer der gesetzlichen Zulassungsgründe vorliegt.
Dies ist bei bestimmten Punkten wie z.B. dem Übersehen von Vorschriften oder der Divergenz eindeutig und nicht davon abhängig, wie der BFH das Urteil des BVerfG 1 BvR 606/60 „versteht“.
cc) Das Schlupfloch für das Gericht ist aber § 116 Abs. 5 FGO, wonach von einer Begründung abgesehen werden kann, wenn eine Begründung nicht zur Klärung der Voraussetzungen für eine Revision beiträgt.
Der BFH übergeht dennoch regelmäßig ohne jede Begründung Klägervorbringen, die völlig eindeutig unter einen der gesetzlichen Zulassungsgründe zu subsumieren sind wie z.B. Divergenz oder Willkür aus dem Übersehen von Vorschriften.
Das Unterlassen einer Begründung in derartigen Fällen ist nicht von § 116 Abs. 5 FGO abgedeckt, weil die Begründung einer derart abweichenden Entscheidung zur Klärung der Voraussetzungen für eine Revision beitragen würde.
5.8.2 Zulassungsgrund „Klärungsbedarf“
Beim gesetzlichen Zulassungsgrund der „Grundsätzlichen Bedeutung“ nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist ein wesentlicher Unterpunkt ein evtl. Klärungsbedarf, z.B. aufgrund von substantiierten Zweifeln an der bisherigen Rechtsprechung.
Bei derartigen Klägervorbringen ist es korrekt, wenn das Gericht dem Kläger die entsprechende höchstrichterliche Klärung der Rechtslage entgegen hält und evtl. Zweifel ausräumt.
a) Dafür reicht aber das mehr oder minder klare „Verständnis“ des BFH von der Rechtsprechung des BVerfG nicht aus. Ein „Verständnis“ beinhaltet per definitionem ein Ermessen, was man schon an der diversen verfassungsrechtlichen Auffassungen des BFH sieht. Zudem hat der BFH in I B 28/18 mehr als deutlich gemacht, dass sein diesbzgl. „Verständnis“ verworren, rechtswidrig und unbegründet ist und nur zu Zweifeln Anlass gibt.
b) Aufgrund der o.a. Zwickmühle zur Vergleichsberechnung war in I B 65/19 u.a. der Zulassungsgrund des Klärungsbedarfs nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gegeben.
Im Beschluss I B 65/19 hat der BFH eingeräumt, dass die Vergleichsberechnung einschlägig ist, dass er sie aber nicht beachtet hat. Dies bestätigt den von der Klägerin vorgebrachten Klärungsbedarf.
c) Dem kann der BFH nur den zusammengelogenen Leitsatz zum Beschluss I B 65/19 entgegenhalten, der im Zulassungsverfahren keinerlei rechtliche Relevanz hat.
d) Wenn aber dem angefochtenen Urteil des FG Divergenz oder Willkür vorgehalten wird, ist es für das Zulassungsverfahren völlig unerheblich, was an anderer Stelle zu der entsprechenden Frage schon entschieden worden ist. Es kommt nur darauf auf, ob/dass im angefochtenen Urteil eine Divergenz oder z.B. Willkür nachgewiesen sind.
Dies hat der BFH regelmäßig übergangen, insb. mit der berüchtigten Floskel „der BFH hat entschieden“ und so die Revision entgegen § 115 FGO vermieden.
5.8.3 Zulassungsgrund „Nicht erwogen“
Anders als bei anderen Zulassungsgründen hat der BFH hier ausnahmsweise positiv und imperativ festgelegt, dass die Revision zuzulassen ist, wenn gegen die bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung Argumente vorgetragen werden, die der BFH bisher nicht erwogen hat.
Im Verfahren I B 28/18 hatte sich der Kläger auf „neue Gesichtspunkte“ berufen – die der I. Senat prompt nicht erkennen konnte.
Im Verfahren I B 65/19 hat die Klägerin eine ganze Reihe von „nicht erwogenen Argumenten“ zu verschiedenen Themen vortragen, u.a. auch zur Vergleichsberechnung (s.o.). Der I. Senat des BFH ist darauf entgegen seiner eigenen Rechtsprechung zu diesem Zulassungsgrund nicht eingegangen. Der Senat hat nicht aufgezeigt, dass oder wo er die betreffenden Argumente erwogen hat.
Im Thema Vergleichsberechnung hat der Senat sogar mittelbar eingeräumt, dass er die betreffenden Argumente nicht erwogen hat, weil er die Vergleichsberechnung aus seinen „verfassungsrechtlichen Würdigungen“ ja ausgeschlossen hatte (s.o.)
Damit hat der I. Senat sogar zugegeben, dass er in I B 65/19 die Zulassung der Revision willkürlich verweigert hat.
5.8.4 Zulassungsgrund „Divergenz“
Die Zulassung nach §115 Abs. 2 Nr. 2 2. Fall FGO dient der Beseitigung oder Verhinderung einer uneinheitlichen Rechtsprechung. Der Tatbestand zerfällt in zwei Fallgruppen, die Zulassung wegen Divergenz im klassischen Sinne und die Zulassung wegen eines qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers.
Beim besonderen Kirchgeld besteht regelmäßig die Divergenz, dass das FG sowie BFH und BVerfG die Anwendung der Kirchgeldtabelle mit der Bemessungsgrundlage „gemeinsam zu versteuerndes Einkommen“ auch bei einem Eigenverdienst des kirchenangehörigen Ehegatten zugelassen haben, während das BVerwG dies explizit auf das einkommenslose Kirchenmitglied beschränkt hat. Diese Sachlage ist nicht abstreitbar, man kann das nachlesen.
Dieser Punkt wurde in den Verfahren I B 103/17, I B 28/18 sowie I B 65/19 vorgebracht. Der I. Senat hat ihn in allen drei Verfahren übergangen, so die Revision entgegen dem Gesetz verweigert und so die genannte Divergenz mangels Revision aufrechterhalten.
5.8.5 Zulassungsgrund „Rechtsfehler“
Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen eines Rechtsfehlers zuzulassen, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen.
„Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) schwerwiegende Rechtsfehler aufweist und deshalb objektiv willkürlich erscheint oder greifbar gesetzwidrig ist. Das kann der Fall sein, wenn das FG eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat oder sein Urteil auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht.“
(BFH v. 20.05.2016 – III B 62/15, Hervorhebung nur hier)
a) Die Finanzgerichte übersehen durchweg die gleichen Vorschriften wie der BFH, v.a. auch, weil sie sich auf dessen Rechtsprechung berufen. Insbesondere wurde durchweg die Vergleichsberechnung „übersehen“. Dies gilt auch für die Vorverfahren der NZBs I B 103/17, I B 28/18 sowie I B 65/19. In I B 65/19 hat der I. Senat dieses Übersehen und damit Willkür eingeräumt und dennoch die Revision verweigert. Dies verstößt gegen § 115 Abs. 2 FGO.
b) Der BFH hat in I B 65/19 bestätigt, dass die Vergleichsberechnung beim besonderen Kirchgeld einschlägig ist (s.o.). Wenn das FG im angefochtenen Urteil bei seiner Entscheidung die Vergleichsberechnung übersehen hat, liegt damit nun auch nach der Rechtsprechung des BFH Willkür vor, die Revision ist zuzulassen.
Dabei ist es völlig gleichgültig, was der BFH in I B 65/19 zur angeblichen höchstrichterlichen Klärung bei der Vergleichsberechnung geschrieben hat; bei der Zulassung der Revision geht es nur hier nur darum, ob ein Rechtsfehler seitens des angegriffenen Gerichts vorliegt, und nicht darum, was der BFH ansonsten gesagt hat. .
c) BFH-Beschluss heilt nicht FG-Fehler
Wenn der BFH irgendwo die Rechtmäßigkeit der Vergleichsberechnung beschlossen hat, kann dies nicht den Rechtsfehler eines FG heilen, das diese Vergleichsberechnung in seiner Entscheidung übersehen hat. Der BFH hat ja nun in I B 65/19 bestätigt, dass die Vergleichsberechnung hier einschlägig ist und muss daher den Rechtsfehler der FG als Zulassungsgrund anerkennen. Der BFH kann das Übersehen einer Vorschrift beim FG nicht heilen.
5.9 Der Beschluss des BVerfG 2 BvR 591/06 im Faktencheck
Der BFH beruft sich in I B 65/19 Rn 10 u.a. auf den Beschluss des BVerfG 2 BvR 591/06, so als ob dort irgendetwas zur Vergleichsberechnung stünde oder gar entschieden worden wäre.
Dieser Beschluss des BVerfG beruht in Bezug auf das besondere Kirchgeld bei Eigenverdienst genauso wie Rechtsprechung des BFH auf dem Übersehen von Vorschriften und einem systematischen Ausklammern der Option einer Besteuerung per KiESt. Die Vergleichsberechnung kommt nicht vor. Den Kern bildet eine wahrheitswidrige Tatsachenbehauptung.
Einem entsprechenden Klägervortrag in der NZB I B 65/19 konnte der BFH nur eine dumme Bemerkung entgegenhalten.
Detaillierte Darstellung mit Nachweisen. BVerfG-591-06_Geschenk_v04e
5.9.1 Unzureichende verfassungsrechtliche Beurteilung
Die verfassungsrechtlichen Darlegungen des BVerfG in Beschluss 2 BvR 591/06 sind unzureichend und gehen an der tatsächlichen Rechtslage vorbei.
Sie sind nicht annähernd geeignet, ein besonderes Kirchgeld bei Eigenverdienst zu begründen, und insbesondere auch nicht die Verfassungsmäßigkeit der Vergleichsberechnung.
a) BVerfG 1 BvRBVerfG-591-06_Geschenk_v04e 606/60 in seiner Gesamtheit maßgeblich
Das BVerfG hat im Beschluss 2 BvR 591/06 zunächst referiert, wo in seiner früheren Rechtsprechung die „hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen“ bereits geklärt sind, nämlich „insb.“ in „BVerfGE 19, 268“; „fernerhin“ in einigen weiteren Entscheidungen. Ähnlich äußert sich das BVerfG in 2 BvR 443/01 Rn 68 sowie in 1 BvR 606/60 Ziff. B („Vielzahl ähnlicher Fälle“).
Danach ist das Urteil 1 BvR 606/60 in seiner Gesamtheit verfassungsrechtlich maßgeblich für die kirchliche Besteuerung bei glaubensverschiedener Ehe, also für die Kirchensteuer bzw. für „das besondere Kirchgeld als eine Erscheinungsform der Kirchensteuer“, nach Heranziehung und Bemessung, insb. bei Zusammenveranlagung.
b) In seinem Beschluss 2 BvR 591/06 sagt das BVerfG konkretisierend weiter:
„Insbesondere hat das BVerfG hervorgehoben, dass zwar nicht das Einkommen des konfessionslosen Ehegatten, wohl aber der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten“ kirchlich besteuert werden „kann“.
c) Dies wiederholt letztlich nur die Ermächtigungsnormen der KiStG und KiStO zum besonderen Kirchgeld („können erhoben werden als“). Die parallelen Ermächtigungsnormen zur KiESt bleiben unberührt, ebenso die Vergleichsberechnung.
Der Beschluss 2 BvR 591/06 erklärt nur eine der Kann-Bestimmungen der KiStG und KiStO zur Kirchensteuer für verfassungsgemäß, und bringt ansonsten keinerlei Zuwachs.
d) Einer Kann-Bestimmung sind ein Ermessen und/oder anderweitige Optionen immanent. Beides hat das BVerfG hier nicht angesprochen und auch nicht geklärt. Damit ist der Beschluss so unbestimmt wie das KiStG.
e) Das BVerfG bezieht sich bei der Nennung der Rechtsgrundlagen auf Landesebene nur darauf, dass die Einzelheiten der Kirchensteuer nach Art. 140 GG von Ländern zur regeln sind, was sodann von den Kirchen konkretisiert werden könne (Rn 3).
Das BVerfG spricht hier also nur die verfassungsrechtliche Ermächtigungskaskade an, sagt aber nichts zum Inhalt der landesrechtlichen Bestimmungen und nennt auch keine einzige konkrete Bestimmung zur Kirchensteuer.
Das BVerfG bezieht sich in 2 BvR 591/06 nur auf das besondere Kirchgeld. Das BVerfG hat dabei aber die parallele Kann-Bestimmung zur KiESt bei glaubensverschiedener Ehe aus den landesrechtlichen Bestimmungen (KiStG, KiStO) übersehen. Damit geht es bei seiner Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des besonderen Kirchgeldes schon grundsätzlich von unzutreffenden Voraussetzungen aus, weil es einschlägige Vorschriften übersehen hat.
f) Das BVerfG hat hier auch übersehen, dass nach den KiStG die AO anzuwenden ist, wonach die beiden Fallkonstellationen ohne/mit eigenes Einkommen von Gesetzes wegen verschieden sind und somit nach dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechend ihrer Verschiedenheit zu behandeln sind. Damit hat das BVerfG hier den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit von Steuern nicht beachtet.
g) Das BVerfG hat hier die Konkurrenz von KiESt und besonderen Kirchgeld bzw. ihrer parallelen Ermächtigungsnormen in den landesrechtlichen Bestimmungen übersehen, und daher weder betrachtet noch verfassungsrechtlich geklärt. Das BVerfG hat die Unbestimmtheit der KiStG/KiStO und ist somit von einer Bestimmtheit ausgegangen, die nicht existiert.
h) Das BVerfG hat hier auch die Vergleichsberechnung übersehen, die im Landesrecht diese Konkurrenz aufgrund der Betragshöhe der Steuer klärt.
Daher betrifft dieser Beschluss des BVerfG überhaupt nicht die tatsächliche Festsetzung des besonderen Kirchgeldes bei Eigenverdienst.
Somit liegt wegen des Übersehens von Vorschriften nach den Maßstäben des BVerfG Willkür vor.
i) Das BVerfG hat hier nicht die Verfassungsmäßigkeit der Vergleichsberechnung geklärt und damit auch nicht, ob das besondere Kirchgeld anstelle von KiESt festgesetzt werden darf. Dies genügt nicht seiner eigenen Rechtsprechung, wonach Steuern NUR aufgrund solcher Bestimmungen erhoben werden dürfen, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (1 BvR 413/60, C I 1; Rn 34).
j) Zur Bemessung des besonderen Kirchgeldes beinhaltet der Beschluss des BVerfG 2 BvR 591/06 nur einen Fehlnachweis via BFH I R 76/04 auf BVerwG VII C 48.73, das die Bemessung am gemeinsamen Einkommen in Rn 33 aber explizit auf das einkommenslose Kirchenmitglied eingeschränkt hat.
Die verfassungsrechtliche Beurteilung durch das BVerfG ist somit unvollständig, entgegen der Rechtslage und völlig unzureichend.
Der Beschluss des BVerfG täuscht eine Klärung vor, die nicht gegeben ist.
Wertlos und unzutreffend.
5.9.2 Wahrheitswidrige Tatsachenbehauptung
Das BVerfG hat in seinem Beschluss 2 BvR 591/06 ohne jede Einschränkung behauptet, nach seiner Rechtsprechung von 1965 dürfe bei glaubensverschiedenere Ehe der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten kirchlich besteuert werden. Dabei hat das BVerfG die damalige Einschränkung „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ ohne jede Erläuterung einfach weggelassen
a) Es ist bereits gerichtlich festgestellt, dass die Wiedergabe des Obiter dictum aus BVerfG 1 BvR 606/60 Ziff. C II 2 in 2 BvR 591/06 nicht dem Original entspricht, weil die Klausel „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ fehlt (VG Frankfurt, OVG Lüneburg).
b) Streitig war in 2 BvR 591/06 „die Heranziehung zur Kirchensteuer beziehungsweise“ „die Heranziehung zum besonderen Kirchgeld als einer Erscheinungsform der Kirchensteuer“. Die für die Entscheidungen – also sowohl zur Kirchensteuer im Allgemeinen als auch zum besonderen Kirchgeld als einer Erscheinungsform der Kirchensteuer – maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen seien in der früheren Rechtsprechung des BVerfG bereits geklärt.
Das BVerfG nennt in 2 BvR 591/06 als einschlägige verfassungsrechtliche Grundlage „insb.“ sein Urteil BVerfGE 19,268 (also das gesamte Urteil!). Danach ist dieses die Referenz bzw. das Original.
c) Sodann berichtet das BVerfG in 2 BvR 591/06 spezifizierend im sprachlichen Perfekt mit „Insbesondere hat das BVerfG hervorgehoben“ über die darin anno 1965 ermöglichte Besteuerung des Lebensführungsaufwandes. Dass dieser Rückbezug auf die Rechtsprechung von 1965 ein Bericht aus der Vergangenheit und keine neue Rechtsansicht oder Deutung ist, wird mit der Angabe der genauen Fundstelle von 1965 („BVerfGE 19, 268 [282]“) belegt.
aa) Dieser Bericht von 2010 ist dem Wahrheitsbeweis zugänglich.
Denn man kann durch Textvergleich feststellen, ob der Bericht von 2010 mit dem angeführten Original von 1965 übereinstimmt oder nicht. Damit liegt hier keine Rechtsansicht vor, sondern eine Tatsachenbehauptung über die Rechtsprechung des BVerfG von 1965 vor.
Damit geht es nicht um eine „Deutung“ dieser Textpassage, wie der BFH einem in I B 65/19 Rn 14 weiszumachen versucht, sondern nur darum, ob der Bericht mit dem Original übereinstimmt, auf das er sich bezieht.
bb) In dem Bericht von 2010 fehlt die Klausel „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ aus dem Original von 1965.
Damit liegt ein Falschzitat durch Weglassen vor, das die Wortlautgrenze überschreitet, weil es den Willen des Normgebers verändert, indem es den Tatbestand für die Besteuerung ausweitet. Ein Falschzitat hat nicht die Beweiskraft des Originals i.S. der §§ 415 ff ZPO.
d) Dieses Falschzitat des Obiter dictum aus 1 BvR 606/60 im Beschluss 2 BvR 591/06 beinhaltet eine krasse Missdeutung der hier verfassungsrechtlich maßgeblichen Norm und somit Willkür.
Dies ergibt sich nach den gängigen Auslegungsmethoden: Diese Weglassung überschreitet die Wortlautgrenze und widerspricht den tragenden Gründen des Urteils des BVerfG 1 BvR 606/60, also ihrem Kontext. Diese Umdeutung widerspricht auch einer teleologischen (Individualbesteuerung!) und systematischen (tragende Gründe!) Auslegung.
5.9.3 Untaugliche Reaktion des BFH in I B 65/19
Im Verfahren I B 65/19 hatte die dortige Klägerin dementsprechend vorgebracht, der Beschluss des BVerfG 2 BvR 591/06 beruhe auf einer wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptung.
Der BFH konnte dem nur eine dumme Bemerkung zur Person der Klägerin entgegenhalten. In der Sache wusste er nichts vorzubringen.
a) Die Klägerin im Verfahren I B 65/19 hatte unter den „nicht erwogenen Argumenten“ in ihrer NZB vorgetragen, dass der Beschluss des BVerfG 2 BvR 591/06 in seinem Kern auf einer wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptung beruhe. Dazu hatte sie eine Reihe klärungsbedürftiger Rechtsfragen aufgeworfen.
b) Anstatt sich mit dem Sachvortrag dieses Klägervorbringens zu befassen, weiß der BFH in I B 65/19 dazu nur vorzubringen:
„Der Senat geht nicht davon aus, dass die Klägerin die Entscheidungen des BVerfG besser zu deuten vermag als das BVerfG selbst.“ (Rn 14) (Hervorhebung nur hier)
Eine Entscheidung über die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen ist das nicht.
Es ist nicht annähernd nachvollziehbar, wie der BFH in dieser evident mangelnden Sorgfalt des BVerfG eine höhere Weisheit des BVerfG erkennen will, wie er das mit seiner o.a. Bemerkung zur Klägerin in I B 65/19 zum Ausdruck bringt. Derartiges begründet ansonsten die Besorgnis der Befangenheit.
c) Diese o.a. Einlassung des BFH geht gezielt am Thema vorbei.
Die Klägerin hatte nicht eine wolkige „Deutung“ vorgetragen wie sie der BFH entgegen allen Auslegungsregeln immer wieder versucht, sondern anhand eines konkreten Textvergleiches nachgewiesen, dass der Bericht des BVerfG von 2010 („hat hervorgehoben“) über seine Rechtsprechung von 1965 mit dem originalen Text dieser Rechtsprechung von 1965 entscheidungserheblich nicht übereinstimmt, wie dies auch schon gerichtlich festgestellt worden ist – nicht mehr und nicht weniger.
Weil der Wahrheitsbeweis greife, liege nach der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG keine zu deutende Rechtsansicht vor, sondern eine Tatsachenbehauptung, die wahrheitswidrig sei.
Diesem schlichten Sachvortrag der dortigen Klägerin konnte der I. Senat des BFH offensichtlich nur eine dumme Bemerkung entgegenhalten. Vom Wahrheitsbeweis hält der BFH offensichtlich nichts.
Man muss das wohl als Eingeständnis werten, dass die Darlegung und Auffassung der Klägerin korrekt ist, dem BFH aber nicht in der Kram passt.
Er hat ja wohl den Auftrag, das besondere Kirchgeld auf Teufel komm‘ raus zu verteidigen.
Stand März 2022
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